Interview mit Familienministerin und SPD-Vize-Chefin Manuela Schwesig: "Väter kommen immer noch zu wenig vor""

Berlin · Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will in den "kommenden Wochen" die "Leitlinien" für ein Gesetz zur Frauenquote für Spitzenpositionen in der Wirtschaft vorlegen. "Ich bin froh, dass jetzt Schluss ist mit freiwilligen Vereinbarungen und wir das Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen auf den Weg bringen", sagt sie. Im Interview mit unserer Redaktion spricht sie außerdem über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und über die Rolle der Väter.

Manuela Schwesig – SPD-Frau und Ministerpräsidentin von MV
15 Bilder

Das ist Manuela Schwesig

15 Bilder
Foto: dpa/Jens Büttner

Wird das Gesetz zur Frauenquote ihr Gesellenstück als neue Ministerin?

Schwesig Es ist auf jeden Fall ein sehr wichtiges Gesetz, das mir auch persönlich am Herzen liegt. Ich streite seit vielen Jahren auch über Parteigrenzen hinweg für die Frauenquote. Ich bin froh, dass jetzt Schluss ist mit freiwilligen Vereinbarungen und wir das Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen auf den Weg bringen.

Wann werden Sie Ihre konkreten Pläne vorlegen?

Schwesig Die Leitlinien für den Gesetzentwurf werden wir in den kommenden Wochen vorlegen als Grundlage für die weitere Diskussion. Gemeinsam mit Justizminister Heiko Maas plane ich ein Gesetz aus drei Blöcken. Erstens wollen wir die feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten für alle Neubesetzungen ab 2016 einführen. Diese verbindliche Quote soll in börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen gelten. Das trifft auf rund 120 Unternehmen zu. Zweitens werden alle Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind per Gesetz verpflichtet, für Aufsichtsräte, Vorstände und die oberste Management-Ebene selbst Zielgrößen festzulegen. Das soll ab 2015 gelten und betrifft rund 2500Unternehmen, die in der Regel zwischen 500 und 2000 Mitarbeiter haben. Drittens sollen auch Einrichtungen und Unternehmen mit Bundesbeteiligung mit gutem Beispiel vorangehen.

Wie werden Sie Unternehmen sanktionieren, die ihre Vorgaben nicht einhalten?

Schwesig Für die feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten wird es die Sanktion des "leeren Stuhls" geben. Ein frei werdender Aufsichtsratsposten muss frei bleiben, wenn er nicht mit einer Frau besetzt wird, obwohl die Quote noch nicht erfüllt ist.

Wie wollen Sie verhindern, dass sich die betroffenen Unternehmen sehr niedrige Quoten für ihre obersten Ebenen setzen?

Schwesig Da setzen wir auf den Wettbewerb. Die Unternehmen dürfen nicht hinter dem Frauenanteil, den sie bereits vorweisen können, zurückfallen. Die Dynamik wird entstehen, weil die Unternehmen künftig diese Zielvorgaben jährlich veröffentlichen und transparent darlegen müssen.

Stapeln sich bei Ihnen die Protestbriefe der Wirtschaft?

Schwesig Aus meinen Gesprächen mit der Wirtschaft weiß ich, dass wir das gemeinsame Ziel von mehr Frauen in Führungspositionen teilen. Über den Weg einer verbindlichen Quote gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die Wirtschaft weiß aber auch, dass es nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie geht. Alles, was bisher die Rechte von Frauen vorangebracht hat, hat zu großen Diskussionen geführt. Warum sollte das bei der Quote anders sein?

Rechnen Sie in der Koalition noch mit strittigen Debatten zur Frauenquote?

Schwesig Nein. Wir haben die Frage der Frauenquote im Koalitionsvertrag schon sehr detailliert geregelt. Es gehört aber dazu, dass es eine politische Debatte geben wird. Wenn es keine Diskussion gibt, ist dies ein Zeichen dafür, dass ein Gesetz nicht viel bewegt.

Von der Frauenquote profitieren am Ende nur wenige Spitzenfrauen...

Schwesig Mit mehr Frauen in Spitzenpositionen werden die Türen für Frauen in allen Bereichen aufgestoßen. Aber die Quote ist nicht alles. Ein dringendes Thema ist auch die Entgeltungleichheit von Männern und Frauen. Die Lohnlücke liegt bei 22 Prozent. Das liegt auch an den geringen Stunden, die ein großer Teil der Frauen nur arbeiten können und an typischen Frauenberufen wie beispielsweise in der Pflege, die schlechter bezahlt werden. Es gibt aber auch direkte Lohndiskriminierung. Dagegen werden wir in diesem Jahr noch Eckpunkte für ein Entgeltgleichheitsgesetz vorlegen.

Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Ganztagsangeboten zur Kinderbetreuung bundesweit?

Schwesig Damit bin ich unzufrieden. Wir brauchen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aber auch für die besseren Bildungschancen von Kindern mehr gute Ganztagsangebote in Kitas und Schulen. Bislang gibt es nur für etwa jedes dritte Kind im Grundschulalter ein Angebot. Da müssen wir vorankommen.

Was wollen Sie bewegen?

Schwesig Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Länder zusätzlich sechs Milliarden Euro erhalten sollen, um sie im Kita, Schul- und Hochschulbereich zu entlasten. Die Gelder müssen so verteilt werden, dass jedes Land seine dringenden Probleme anpacken kann.

Wohin sollen die sechs Milliarden Euro konkret fließen?

Schwesig Die sechs Milliarden Euro müssen im Bildungsbereich ankommen. So sieht es auch der Koalitionsvertrag vor.

Für viele Frauen ist die Rückkehr in den Beruf nach der Erziehungspause immer noch eine Hürde. Haben Sie Pläne, den Weg leichter zu machen?

Schwesig Die Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden. Dafür gibt es mehrere Ansatzpunkte. Wir werden die Elternzeit flexibler gestalten. Künftig sollen Mütter und Väter bis zum achten Lebensjahr des Kindes flexibel ihre drei Jahre Elternzeit nehmen können. Das kann auch den positiven Effekt haben, dass Eltern früher wieder in den Job einsteigen, weil sie ihre Elternzeit auch später noch jederzeit nutzen können, ohne dass etwas verfällt.

Wird es dadurch auch partnerschaftlicher zugehen zwischen Müttern und Vätern?

Schwesig Bislang kommen die Väter in der Debatte um die Vereinbarkeit immer noch zu wenig vor. Nach Umfragen wollen 60 Prozent der Eltern beide ähnlich viel Zeit mit ihren Kindern verbringen. Nur 14 Prozent der Paare erfüllen sich diesen Wunsch. Das geplante ElterngeldPlus wird eine partnerschaftliche Aufteilung von Arbeits- und Familienzeit fördern.

Warum ist immer von der Teilzeit-Falle die Rede. Was ist an Teilzeit so schlecht?

Schwesig Grundsätzlich ist Teilzeit nicht schlecht, sondern oft eine gute Gelegenheit, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Aber die Teilzeit-Arbeit darf nicht zur Sackgasse werden. Deshalb soll es ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit geben. Das ist im Koalitionsvertrag vereinbart.

Nach der aktuellen Forsa-Umfrage steht die SPD bei nur 22 Prozent. Woran liegt das?

Schwesig Die SPD ist mit einer sehr guten Dynamik in dieser Regierung gestartet. Die Debatte um die Edathy-Affäre hat uns geschadet. Wir machen aber keine Politik für Sonntagsumfragen. Wir werden unsere Sachthemen weiter voranbringen. Darüber können wir das Vertrauen wieder stärken.

Überrascht es Sie, dass Sie trotz des gut ausgehandelten Koalitionsvertrags immer wieder mit der Union aneinander geraten?

Schwesig Ich kann den Streit nicht in dem Ausmaß erkennen, wie er öffentlich dargestellt wird. Nicht jede Diskussion ist gleich ein Streit. Dass im politischen Prozess gerungen wird, halte ich für normal. Selbstverständlich sind die aktuellen Themen wie Rente und Doppelpass emotionsgeladen. Das gehört dazu. Wir alle wollen einen Erfolg dieser Koalition und ich erlebe einen guten und fairen Umgang miteinander in der Bundesregierung

(mar, qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort