SPD in bester Stimmung Machtspiele bei Spargel

Berlin · Die heutige Reise der sozialdemokratischen Troika nach Paris zum neuen sozialistischen Präsidenten François Hollande war das beherrschende Thema der traditionellen "Spargelfahrt" der SPD.

Sonne, Spargel, SPD. Selten war die Stimmung bei der jährlichen Dampferfahrt des "Seeheimer Kreises" in der SPD so gut. Die Wahl von Parteifreund Torsten Albig zum Regierungschef in Kiel, die Neuauflage von Rot-Grün in Düsseldorf und die Einladung des französischen Präsidenten François Hollande an die SPD-Troika aus Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Parteichef Sigmar Gabriel in den Elysée-Palast ließen die Genossen selbstbewusster denn je in den Beelitzer Spargel stechen.

Steinbrück mahnte, es dürfe nicht dazu kommen, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hollande über Fiskalpakt und Konzepte gegen die Euro- und Verschuldungskrise einigten und die Sozialdemokraten nicht wüssten, was sie wollten.

Die großen Überraschungen blieben aus

Die Troika will den Platzvorteil nicht verspielen, den sie mit dem Termin im Elysée-Palast erzielt hat. Sie trifft den neuen Präsidenten, bevor Merkel ihren Antrittsbesuch in Paris macht. Im französischen Präsidentschaftswahlkampf hatte Gabriel Hollande tatkräftig unterstützt. Merkel hingegen hatte es abgelehnt, Hollande in Berlin zu empfangen, und ihre Vorliebe für Nicolas Sarkozy offen gezeigt.

Die Dampferfahrt gehört zu den wichtigsten und beliebtesten Veranstaltungen im politischen Kalender der SPD. Am Dienstagabend stachen die SPD-Rechten zum 51. Mal in See. Doch die ganz großen Überraschungsmomente vergangener Jahre – 2010 erschien der rot-grüne Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck an Bord, 2007 hatte der damalige Vizekanzler Franz Müntefering mit einer fulminanten Rede den blassen Parteichef Kurt Beck alt aussehen lassen – blieben dieses Mal aus.

Ex-Kanzler Gerhard Schröder ließ sich erneut nicht blicken, die neuen SPD-Stars Albig und Hannelore Kraft haben in der Heimat zu tun. Und Gabriel ließ sich wegen eines privaten Trauerfalls entschuldigen.

Die K-Frage beherrscht die Gespräche

Weil das größte Passagierschiff Berlins, die MS "Paloma", außer Dienst gestellt wurde, mussten die Organisatoren knapp 100 Gäste von der Liste streichen und sich mit der kleineren "Havel Queen" zufrieden geben. Immerhin 600 Gäste fasst das Boot. Lieblings-Thema an den Stehtischen: die Kanzlerkandidaten-Frage.

Steinmeier flachste, wenn heute die Maschine mit der Troika auf dem Flug nach Paris abstürze, dürfe aber mit Blick auf die K-Frage nichts schiefgehen. Steinbrück knüpfte weniger später den Faden weiter – er hoffe doch, dass SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks eine sichere Maschine gebucht habe. Steinmeier rief dazwischen: "Barbara sagt, sie hätte nur einen Fallschirm". Steinbrück reagierte umgehend: "Der Punkt ist, dass du für ihn zu schwer bist." Und nach einer Pause "und erst recht Sigmar (Gabriel)". Damit habe sich die "Frage" ja erledigt.

Die Troika auf der Kaffeetasse

De facto werden Steinbrück, der bei vielen Seeheimern Kultstatus genießt, nur noch Außenseiterchancen eingeräumt. Zu wenig verankert in der Partei, zu viele Werbeauftritte in Funk und Fernsehen, heißt es. "Es läuft alles auf Steinmeier zu", prognostizierte ein einflussreicher SPD-Parlamentarier. Der 2009 gescheiterte Kandidat sei als Fraktionschef gefestigt, agiere souverän.

Parteichef Gabriel, der immerhin das Erstzugriffsrecht auf den Prestigeposten für 2013 hat, konnte zwar nicht persönlich an Bord der "Havel Queen" sein, im Bild war er dennoch hundertfach präsent: Alle Gäste durften ihre Kaffeetassen als Souvenir mitnehmen – auf den Tassen prangen die Konterfeis der Troika.

Es gibt traditionell Spargel, Bier, Wein und vor allem Karrierechancen. Wer eine Karte für die Tour ergattert, darf sich zu den wichtigeren Sozialdemokraten zählen. Der Zusammenschluss rechter SPD-Politiker, die sich selbst lieber progressiv nennen, gilt als Kaderschmiede.

Alte Tradition

Knapp 50 Bundestagsabgeordnete gehören dazu, angeführt werden sie vom Hamburger Haushaltspolitiker Johannes Kahrs und dem Wirtschaftssprecher Garrelt Duin. Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier gehören ebenso wie Sigmar Gabriel zu der Gruppe, die sich Mitte der 1970er Jahre als Nachfolger der berüchtigten "Kanalarbeiter" gründete. Sie waren so etwas wie die Prätorianergarde von SPD-Kanzler Helmut Schmidt: treue Konservative, die die Regierungsfähigkeit gegen den aufbegehrenden linken Parteiflügel sicherstellten.

Als die innerparteilichen Theorie-Debatten stärker wurden, traf sich in der 70er Jahren eine neue Gruppe jüngerer, regierungstreuer Sozialdemokraten im Lufthansa-Schulungszentrum in Seeheim, so entstand der Name des Parteizirkels, der in Bonner Zeiten jährlich zu einer "Spargelfahrt" rheinaufwärts einlud. Diese Tradition überstand jeden Regierungswechsel und auch den Umzug von Bonn nach Berlin.

(RP/pst/jh-)
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