Gabriel ist neuer SPD-Chef "Macht euch auf was gefasst"

Dreden (RP). In einer kämpferischen Rede hat der neue SPD-Chef Sigmar Gabriel seine Partei nach der verheerenden Wahlniederlage zu einem Neuanfang aufgerufen. Zugleich gab er Fehler in der Vergangenheit zu.

2009: Gabriel zum neuen SPD-Chef gewählt
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2009: Gabriel zum neuen SPD-Chef gewählt

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Mit dem unerwartet hohen Ergebnis von 94,2 Prozent hat der SPD-Parteitag in Dresden den 50-jährigen Sigmar Gabriel zum neuen Vorsitzenden gewählt. Gabriel folgt Franz Müntefering (69) im Amt. Außerdem wurde Andrea Nahles zur neuen Generalsekretärin der Partei gewählt. 69,6 Prozent der Stimmen entfielen auf die 39-Jährige, die Hubertus Heil im Amt ablöst.

Gabriel kündigte schon in seiner Bewerbungsrede deutliche Korrekturen des bisherigen Kurses an. So rückte er von der Rente mit 67 ab. Es sei nicht klar, ob "diese Gesetzesinitiative richtig war". Deshalb setze er auf die regelmäßige Überprüfung ab 2010, die auch im Gesetz vorgesehen sei.

Zugleich machte er sich für eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I stark. "Wer 20 oder 30 Jahre gearbeitet hat und dann arbeitslos wird, darf nicht nach zwölf oder 18 Monaten genauso viel haben wie jemand, der noch nie gearbeitet hat", sagte der neue SPD-Chef unter dem starken Beifall der 515 Delegierten. Auch in der Gesundheitspolitik warnte Gabriel vor einer weiteren Privatisierung des Systems. Wer die zusätzlichen Kosten der Gesundheitsversorgung "einzig und allein den Arbeitnehmern aufbürden will, der verabschiedet sich aus dem Sozialstaatsprinzip". Die Privatisierung sei das "Gegenmodell zur Solidarität", fügte der SPD-Chef hinzu.

"Zeit für einen neuen sozialen Konsens"

Gabriel kündigte außerdem die Ausweitung der Mitbestimmung sowie eine gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen an. Es sei Zeit für einen "neuen sozialen Konsens", wenn in Deutschland nur zehn Prozent der Bevölkerung 61 Prozent des privaten Vermögens besitzen, aber zehn Prozent in Armut leben. Der neue Parteivorsitzende verlangte von der SPD, dass sie wieder die Deutungshoheit in der Gesellschaft erlangt. Damit rücke sie wieder in die "politische Mitte". Die SPD, so Gabriel, habe Wahlen und Mehrheiten immer dann gewonnen, wenn sie die politische Mitte erobert hatte. Deshalb seien "linke Volkspartei" und "politische Mitte" kein Gegensatz.

Für die Linke offen

Für Koalitionen mit der Linken zeigte sich der neue SPD-Chef grundsätzlich offen. "Aber es gibt auch keinen Grund, aus Prinzip immer welche mit ihnen zu schließen", fügte er hinzu. Union und FDP warf Gabriel vor, Klientelpolitik gegen das Gemeinwohl zu betreiben, indem die neue Koalition Steuern für Besserverdienende senke und auf eine Zwei-Klassen-Medizin zusteuere. Als Grund für die Niederlage bei der jüngsten Bundestagswahl nannte Gabriel die fehlende Orientierung der SPD. Die Partei habe "kein sichtbares Profil", bemängelte der neue Vorsitzende.

"SPD hat Glaubwürdigkeitsproblem"

Selbstkritisch sagte Gabriel, die Partei habe auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. "Die Menschen haben uns nicht gewählt, weil sie nicht geglaubt haben, dass wir das tun, was in unserem Programm steht." Die SPD habe sich einer vermeintlichen Mitte angenähert. "Das ist der eigentliche Grund für unsere Wahlniederlage." Auf dem Programm des neuen Vorsitzenden steht eine Öffnung der Partei. Die SPD müsse wieder mehr Werkstattcharakter bekommen, um für neue Mitglieder attraktiv zu werden.

Zugleich solle es offene Mitgliederversammlungen geben, mehr Abstimmungen per Urwahl und eine bessere Chance für Neumitglieder bei der Aufstellung von Kandidaten für die Räte und Landeslisten. Der Wahl Gabriels war eine fünfstündige Diskussion der Delegierten über den Zustand der Partei nach der Wahlniederlage vorangegangen. Dabei machte die SPD-Basis vor allem die Agenda-Politik Schröders und Münteferings für die jüngsten Schlappen bei der Bundestagswahl und den diversen Landtagswahlen verantwortlich.

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