Zum Tode Lothar Späths Macher zwischen Chip und Kuckucksuhr

Düsseldorf · Viele sprachen respektvoll vom "Cleverle", andere bespöttelten den Politiker und Manager als "Brutusle" oder "Verwaltungs-Napoleon": Umtriebig wie kaum ein anderer wirkte Lothar Späth als Landesvater und späterer Jenoptik-Chef. Ein Nachruf.

 Lothar Späth (r., 1978 mit Konkurrent Manfred Rommel): "Im Großen und Ganzen zufrieden"

Lothar Späth (r., 1978 mit Konkurrent Manfred Rommel): "Im Großen und Ganzen zufrieden"

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Vor fünf Jahren, als ihn die Demenz-Erkrankung noch nicht heimgesucht hatte, resümierte Lothar Späth sein Leben in Politik und Wirtschaft: "Ich bin im Großen und Ganzen zufrieden."

In Wahrheit gehörte der Mann ohne Abitur und akademische Prägung zu den sehr Erfolgreichen im Land - er, der jeweils gut zwölf Jahre an der Spitze Baden-Württembergs und der ostdeutschen Jenoptik GmbH (später AG) umtriebig wie ein Brummkreisel wirkte.

Vielleicht hatte Späth, der am Freitag im Alter von 78 Jahren in einem Pflegeheim bei Stuttgart verstorben ist, die Lebens-Bilanzeinschränkung aufs Private bezogen, weil er und seine Frau Ursula ab 2014 nach 52 Ehejahren getrennte Wege gingen.

Wäre der Christdemokrat mit der "schwäbischen Gosch" nicht zwischen 1978 und Anfang 1991, sondern viel später Ministerpräsident seines Heimatlandes gewesen - dieser nach Zukunftsluft schnuppernde High-Tech-Fan wäre wohl fast so oft ins kalifornische Silicon Valley und ins chinesische Shanghai gereist wie nach Tuttlingen oder Lörrach.

Ein steter Quell an neuen Ideen

Franz Josef Strauß, der ebenfalls 1978 in Bayern Regierungschef wurde, legte den Grundstein für das bajuwarische Erfolgsmodell "Laptop und Lederhose". Der gewitzte Späth mit der flinken Zunge und den nie versiegenden Ideen für ein modernes Industrie-, Wissenschafts- und Mittelstands-Eldorado im Südwesten stand für "Chip und Kuckucksuhr".

Zehn Zitate aus dem Leben von Lothar Späth
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Auf Späths Initiativen gingen etwa die Daimler-Ansiedlung in Rastatt zurück, die Universitätslandschaft um Ulm sowie zahlreiche Forschungseinrichtungen und Kultur-Leuchttürme im prosperierenden Land. Die Kehrseite der staatsinterventionistischen Landeswirtschaftspolitik war hohe öffentliche Verschuldung. Aber so machten es in den Achtzigern alle.

"Cleverle" und "Verwaltungs-Napoleon"

"Das Cleverle" hat man den Aufsteiger genannt. Sein Konkurrent Manfred Rommel bespöttelte ihn als "Verwaltungs-Napoleon". Tatsächlich war Späth Inspektor in der Verwaltung, Bürgermeister von Bietigheim und Geschäftsführer einer Gewerkschafts-Baugesellschaft. Später sagte er, genau diese Stationen hätten ihm ab 1991 an der Spitze des Unternehmens Jenoptik genutzt.

Jenoptik wurde zu einer der raren Erfolgsgeschichten abgewickelter alter DDR- Kombinate. Aber jeder Napoleon erlebt sein Waterloo: Späth trat im Januar 1991 zurück, weil ihm zu große Nähe zu einem befreundeten Unternehmer vorgehalten wurde. Da gab es gemeinsame Flugreisen und Yacht-Urlaube: nichts Rechtswidriges, aber dennoch unter dem Stichwort "Traumschiff- Affäre" Anrüchiges.

Und da war der CDU-"Putschversuchs"-Parteitag 1989 in Bremen. Späth sollte im Zusammenspiel mit Heiner Geißler, Rita Süßmuth und wenigen anderen, die in der Deckung blieben, dem Bundeskanzler Helmut Kohl den Parteivorsitz entreißen. Damals hatte das "Cleverle" seinen Meister gefunden. Kohl setzte sich durch und seinen Rivalen in der CDU-Führung schachmatt. Ironie des Schicksals: Die von Kohl grandios gemanagte Wiedervereinigung bereitete dem "Brutusle" (Kohl-Spott über Späth) den Weg zum Riesenerfolg im Wirtschaftsleben.

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