Bund-Länder-Beratungen Lockdown-Verlängerung bis Ende Februar möglich

Berlin/Düsseldorf · Wie lange bleiben die Türen der Schulen noch zu? Wie lange bleiben Frisöre geschlossen? Am Mittwoch werden Bund und Länder beraten. Bundeskanzlerin Merkel stellt eine Strategie in Aussicht, die Länder bremsen Hoffnungen auf schnelle Lockerungen.

 03.02.2021, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft zur wöchentlichen Kabinettssitzung im Kanzleramt ein. Foto: Michael Sohn/POOL AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

03.02.2021, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft zur wöchentlichen Kabinettssitzung im Kanzleramt ein. Foto: Michael Sohn/POOL AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Michael Sohn

Vor ihren Beratungen mit den Ländern hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Berichten zufolge eine längerfristige Strategie für Schulen und Kitas in Aussicht gestellt. Hintergrund sind die weiter rückläufigen Corona-Infektionszahlen. Man wolle bei den Beratungen mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch eine Strategie für Schulen und Kitas auf den Weg bringen, sagte Merkel nach Informationen der Deutschen-Presse-Agentur in internen Beratungen des CDU-Präsidiums. Weitere Details dazu wurden zunächst nicht bekannt. Zugleich hieß es aus Regierungskreisen, der Lockdown könne bis 28. Februar verlängert werden. Ausnahmen könnte es aber vorher für Kitas, Grundschulen und einzelne Dienstleistungsunternehmen wie Friseure geben. Das seien bislang aber lediglich Beschlussvorschläge.

Die Diskussion über Schulöffnungen hatte in den vergangenen Tagen an Fahrt aufgenommen. Am Montagabend schalteten sich die Kultusminister zusammen, um über einen Stufenplan und Öffnungsperspektiven in den Ländern zu beraten. Bislang hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) es abgelehnt, feste Inzidenzwerte als Grundlage für Schulöffnungen zu nehmen. Hintergrund ist die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr, dass mitunter einzelne Landkreise wegen Corona-Ausbrüchen in bestimmten Betrieben hohe Inzidenzzahlen auswiesen, diese aber mit den Schulen vor Ort nichts zu tun hatten. Um in einem solchen Fall Schulen nicht geschlossen halten zu müssen, wollte die KMK sich nicht an einen Inzidenzwert von beispielsweise 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche binden. Die Empfehlungen der KMK sollen auch in die Beratungen der Ministerpräsidenten mit dem Bund am Mittwoch einfließen. Ob die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung zu einem festen Stufenplan nach Inzidenzwerten kommen würden, schien am Montag fraglich.

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) bremste die Erwartungen an rasche Lockerungen. „Es ist noch zu früh, um den Lockdown zu beenden“, sagte er unserer Redaktion. „Momentan sind die Zahlen für große Lockerungen nach wie vor zu hoch. Wir müssen dringend noch weiter runter mit den Neuinfektionen, um auch gegen die gefährlichen Virus-Mutanten gewappnet zu sein.“ Es wäre „ein Fehler jetzt einfach wieder zu öffnen, nur, weil ein bestimmtes Datum erreicht ist“, so Hans. Er lobte die hervorragende Arbeit der Mitarbeitenden in den Gesundheitsämtern bei der Kontaktnachverfolgung, forderte aber zugleich ein anderes Vorgehen. „Wir müssen die Kontakte mit moderneren Methoden noch besser und lückenloser nachverfolgen“, sagte Hans. „Beispielsweise durch schnellere und effizientere Zusammenführungen der Datenbestände, durch ein umfassendes Testkonzept und eine verbesserte App mit einem Datenschutz, der die Kontaktnachverfolgung nicht behindert, sondern effektiv ermöglicht.“ Hans sagte, Kinder und Jugendliche sollten „zuerst von Lockerungen profitieren“. Von dem Bund-Länder-Gipfel sollte man sich jedoch keine allzu großen Hoffnungen auf rasche Lockerungen machen. „Wir dürfen jetzt unsere bisherigen Erfolge nicht durch überhastete Schritte gefährden.“ Es gehe um einen Perspektivplan für die kommenden Monate, was bei welchem Infektionsgeschehen wieder möglich sein wird. „Darüber werden wir Bund und Länder gemeinsam sprechen“, sagte Hans.

Vor den Beratungen haben Eltern in Nordrhein-Westfalen Wechselmodelle für Grundschüler und Abschlussklassen gefordert. „Grundschulkinder und die Abschlussklassen müssen eine Sonderregelung bekommen, damit sie so bald wie möglich in einem Wechselmodell zurück zur Schule kommen können“, sagte Andrea Heck, Landesvorsitzende des Elternvereins in NRW. In den Grundschulen müssten die Klassen halbiert werden, jede Gruppe müsse jeden zweiten Tag drei bis fünf Stunden in Präsenz unterrichtet werden. Dabei müsse der Schwerpunkt auf den Fächern Deutsch und Mathematik liegen, so Heck.

Sabine Mistler, Landesvorsitzende des Philologenverbands NRW, plädierte unterdessen für bundesweit einheitliche Kriterien bei der Schulöffnung. Dabei müssten jedoch standortbezogene Anpassungen möglich sein – je nach Personalstärke, Räumlichkeiten, digitaler Ausstattung und Schülertransportmöglichkeiten. „Wenn es eine bundesweite Entscheidung für Präsenzanteile gibt, dann kann das nicht in dem Moment eines Augenzwinkerns geschehen: Die Schulen brauchen eine angemessene Vorbereitungszeit“, sagte sie.

Neben der Debatte um Schulöffnungen wuchs jedoch auch der Druck aus unterschiedlichen Branchen auf die Politik, Lockerungen des Lockdowns in Aussicht zu stellen. Der Handelsverband HDE pochte am Montag erneut auf einen schrittweisen Ausstieg aus dem Lockdown für die rund 200.000 betroffenen Einzelhändler. Lockerungsmaßnahmen müssten auch schon bei einem Inzidenzwert von über 50 möglich sein, erklärte der Verband. In seiner Argumentation für die Öffnung beruft sich der HDE auf ein Hygienegutachten aus dem April 2020, das der Bonner Hygienewissenschaftler Martin Exner jetzt aktualisiert habe. In dem Gutachten heißt es: „Durch die strenge Berücksichtigung der definierten Hygieneregeln (Abstand, Desinfektion, Lüftung, d.Red.)  leistet der Einzelhandel einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag, um die Konsequenzen der Coronavirus-Pandemie unter Kontrolle zu halten.“ Gleichzeitig habe eine aktuelle Studie der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ergeben, dass Arbeiten im Einzelhandel nicht zu erhöhter Infektionsgefahr führe. Die Konsequenz der Branche: Dann sei auch sicheres Einkaufen für Kunden möglich.

Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin in Rheinland Pfalz, stellte zwar keine raschen Lockerungen in Aussicht, pochte aber für solche Schritte auf ein bundeseinheitliches Vorgehen. „Ich setze darauf, dass wir in den wesentlichen Schritten bundesweit möglichst einheitlich vorgehen“, sagte Dreyer unserer Redaktion. „Wir haben viel erreicht! Wir haben die Zahl der Neuinfektionen deutlich gedrückt“, sagte Dreyer. „Die langen Wochen des Lockdowns zehren an der Kraft und den Nerven von uns allen und an der Substanz vieler Unternehmen, vor allem im Einzelhandel.“ Es sei noch zu früh für generelle Lockerungen, dennoch sei ein bundeseinheitlicher Stufenplan wichtig, um den Menschen eine Perspektive zu geben, so Dreyer. Ein Ziel zu haben helfe, die Entbehrungen des Lockdowns besser auszuhalten. „Das hatten wir auch so vereinbart“, sagte Dreyer. „Nach wie vor liegt kein einheitlicher Vorschlag auf dem Tisch“, sagte Dreyer und verwies auf einen eigenen Stufenplan in Rheinland-Pfalz. „Grundsätzlich muss es aber dabei bleiben: Zunächst gehen wesentliche Öffnungsschritte, wie zum Beispiel beim Einzelhandel, nur bundeseinheitlich oder zumindest in Abstimmung mit allen Nachbarländern“, sagte Dreyer. Der Rheinland-Pfalz-Plan solle als Diskussionsgrundlage in die Entwicklung eines deutschlandweiten Stufenplans Planes einfließen, so die SPD-Politikerin.

(mit dpa)
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