Großer Zoff um das Rentenkonzept Lindner: Von der Leyen untergräbt Merkel
Berlin · Die Vorschläge von SPD-Chef Sigmar Gabriel zur Rentenpolitik finden in der Union Zustimmung, Arbeitsministerin von der Leyen lobte die Pläne. Auch die SPD-Linke kann sich damit anfreunden. Für die FDP hingegen wird Ministerin von der Leyen zur "Steigbügelhalterin" für eine große Koalition - allerdings ohne Kanzlerin Merkel.
Das neue Rentenkonzept der SPD-Spitze öffnet nach Ansicht von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Tür für einen Kompromiss. Sie regte am Wochenende eine parteiübergreifende Initiative im Kampf gegen Altersarmut an. Auch die SPD-Linke lehnt die Vorstellungen von Parteichef Sigmar Gabriel für eine Mindestrente nicht rundweg ab, fordert aber Nachbesserungen. Die FDP reagierte hingegen mit scharfer Ablehnung.
"Es ist gut, dass die SPD die Gerechtigkeitslücke mit ähnlichen Mitteln angehen will", sagte von der Leyen der "Welt am Sonntag" mit Blick auf die von ihr verfochtene Zuschussrente, mit der sie allerdings in der Union auf heftigen Widerstand stößt. "Rente ist immer in einem gesellschaftlichen Konsens bearbeitet worden, und das werden wir diesmal auch", kündigte die stellvertretende CDU-Chefin an. Sie reagierte damit auf das Angebot Gabriels für die Aufnahme von "ergebnisoffenen Gesprächen" über die Rente.
Der SPD-Vorsitzende erinnerte wie die zuständige Ministerin daran, dass alle Entscheidungen zu diesem Thema in der Vergangenheit parteiübergreifend entschieden worden seien. "Die SPD strebt das auch bei den jetzt dringend notwendigen Reformen an", kündigt er in seinem Vorschlagspapier an.
Empörung bei FDP-Chef Lindner
Ungewöhnlich empört reagierte die FDP auf die Konsens-Signale von Arbeitsministerin und Opposition. "Ursula von der Leyen unterminiert durch ihre Bemerkungen vorsätzlich die Autorität der Bundeskanzlerin", sagte der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner der Nachrichtenagentur dpa. "Die Bundesarbeitsministerin hat offenbar den Ehrgeiz, Steigbügelhalterin einer großen Koalition ohne Angela Merkel zu sein." Von der Leyen gefährde, wofür sie im Kabinett eigentlich Verantwortung trage: den stabilen deutschen Arbeitsmarkt.
Nach dem SPD-Konzept soll, wer 40 Jahre Vollzeit arbeitet, eine Mindestrente von 850 Euro im Monat bekommen. Für Geringverdiener und Beschäftigte mit langer Arbeitslosigkeit, die aber mindestens 30 Jahre Beiträge gezahlt haben, soll die Grundsicherung im Alter durch Steuermittel entsprechend aufgestockt werden.
Auch von der Leyen will mit ihrem Zuschussrenten-Modell Altersarmut vorbeugen. Sie sieht vor, kleine Renten langjähriger Beitragszahler, die auch privat vorgesorgt haben, auf bis zu 850 Euro aufzustocken - und zwar auch mit Beitragsgeldern aus der Rentenkasse. Vorschläge für eine steuerfinanzierte Grundrente lehnt sie ab.
Die SPD-Pläne, über die der Parteivorstand an diesem Montag erstmals beraten will, sehen auch den massiven Ausbau der Betriebsrenten vor, um Einbußen wegen der beschlossenen Senkung des Rentenniveaus zu verringern. Arbeitnehmer sollen danach 2 Prozent ihres Bruttolohns für ihre Altersvorsorge einzahlen. Der Staat will diesen Betrag mit 400 Euro im Jahr fördern. Dieses Modell soll die bisherige "Riester-Rente" weitgehend ablösen.
SPD will Teilrente für ältere Beschäftigte
Außerdem schlägt die SPD eine deutliche Absenkung der Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente und Verbesserungen den Kindererziehungszeiten für Frauen vor. Die Oppositionspartei will zudem eine Teilrente für ältere Beschäftigte in besonders anstrengenden Berufen einführen. Die zusätzlichen Leistungen in Milliardenhöhe sollen entweder aus Steuermitteln oder Beiträgen finanziert werden. Die Rentenbeiträge sollen danach in kleinen Schritten kontinuierlich angehoben werden, bis 2030 aber 22 Prozent nicht übersteigen.
Der CDU-Sozialpolitiker Karl Schiewerling begrüßte die von der SPD geplante Stärkung der Betriebsrenten. Er halte das Konzept aber nicht für durchgerechnet und "nicht zu Ende gedacht", sagte er der dpa.
Als falschen Weg und zu teuer wies FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb die SPD-Pläne zurück. Zudem werde damit das Tor zur Frühverrentung geöffnet. Linke-Parteichef Bernd Riexinger verlangte in den "Stuttgarter Nachrichten" eine Mindestrente von 1000 Euro im Monat.
Die Sprecherin der SPD-Linken, Hilde Mattheis, sprach dagegen von einer guten Diskussionsgrundlage. In mehreren Punkten sei Gabriel auf die Gewerkschaften zugegangen, sagte sie der dpa. Änderungen sind nach ihrer Ansicht bei den Plänen für die Betriebsrenten nötig.
Entscheidung im November
Nach Ansicht Gabriels kann die "Riester-Rente" ein niedrigeres Rentenniveau nicht ausgleichen: "Die betriebliche Altersvorsorge ist dafür wesentlich besser geeignet." Mit Blick auf die Rente mit 67, an der in dem Konzept ebenfalls festgehalten wird, betonte der Parteichef am Samstag in Goslar: "Wir müssen denjenigen helfen, die etwa wegen Belastungen aus Schichtarbeit nicht bis 65 oder gar 67 arbeiten können. Da brauchen wir flexible Übergänge."
Der SPD-Vorstand will in zwei Wochen über das gesamte Konzept abstimmen. Endgültig beschlossen werden soll es auf einem kleinen Parteitag der SPD im November.