CDU Lindner: Merz ohne „Reformfuror“, aber mit Kompass

Berlin · Der FDP-Chef stellt das neue Buch des CDU-Politikers vor. Merz plädiert für einen Wahlkampf ohne „Herabwürdigung des Gegners“. Kurz zuvor hatte SPD-Mann Scholz ihn einen „Waschlappen“ genannt.

 Friedrich Merz (l) und Christian Lindner

Friedrich Merz (l) und Christian Lindner

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Berlin Michael Grosse-Brömer (CDU) beklagt sich auf Twitter, dass FDP-Fraktionschef Christian Lindner im Bundestag „die angeblich mangelhafte Parlamentsbeteiligung“ in der Corona-Krise kritisiert und dann noch während der laufenden Debatte flugs den Saal verlässt. Was der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion nicht weiß: Der Freidemokrat läuft los, um Chancen für die Beteiligung an einer nächsten CDU-geführten Regierung nicht zu verpassen. Etwas abgehetzt kommt er so zu einer digital übertragenen Veranstaltung, in der er das neue Buch des Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, vorstellt. „Neue Zeit. Neue Verantwortung“ (Econ Verlag, 22 Euro), lautet der Titel. Merz sagt zu Beginn, er hätte sich gewünscht, dass die FDP schon an der jetzigen Koalition beteiligt gewesen wäre. Aber das hatte Lindner ja mit seinem „lieber nicht-regieren-als falsch-zu-regieren“ 2017 verhindert.

Neue Zeit. Neue Verantwortung. Bei diesem Buch, Lindner formuliert es so, handele sich nicht um neue Ideen „auf Teufel komm raus“. Vermutlich ist dem FDP-Politiker gut in Erinnerung, was Merz in den vergangenen zehn bis 20 Jahren immer wieder vorgeschlagen hat. Es sei vielmehr ein „politischer Kompass“, eine „Selbstvergewisserung“, ein „authentisches Buch“. Man „hört den Sound“ des Friedrich Merz, wie er im heimischen Sauerland am Schreibtisch gesessen und in die Tasten gehauen habe, beschreibt es Lindner. Er habe es an einem Abend durchgelesen. Die Schrift biete der CDU „Orientierung“ an, betont der FDP-Mann. Die anderen beiden Bewerber um den Parteivorsitz, Außenexperte Norbert Röttgen und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der mit der FDP regiert, kommen nicht zur Sprache.

Auf 238 Seiten erklärt Merz seine Vorstellungen für eine ökologische Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, für einen neuen Generationenvertrag, eine gemeinsame europäische Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik. Lindner, Du-Freund von Merz, stellt eine „Verschiebung“ der Prioritäten bei Merz fest. So stelle er die Klimapolitik voran. Er sei schon froh, dass Merz bei dieser Buchvorstellung „keine grüne Krawatte“ trage, scherzt er. Doch witzig findet er schwarz-grüne Gedankenspiele nicht. Der Vorschlag zu einer gemeinsamen europäischen Arbeitslosenversicherung überzeuge ihn nicht, sagt Lindner. Aber alles in allem sei das Buch nicht der „Reformfuror des Friedrich Merz von vor zehn, 15 Jahren“, sondern eher staatsmännisch, was aber kein Nachteil sein müsse.

Warum er das Buch überhaupt geschrieben habe, fragt die Moderatorin Kerstin Ligendza den Autor. Zum einen, weil er Zeit hatte, sagt Merz. Zu Beginn der Corona-Pandemie sei er ja selbst infiziert und in Quarantäne gewesen und dann habe es die Oster- und die Sommerpause gegeben. Aber er nennt auch diesen Grund: „Ich schreibe, um zu lernen.“ Er plädiert dringend dafür, ökonomische Anreize für mehr Umweltschutz zu schaffen - innerhalb der marktwirtschaftliche Ordnung - und nicht wie es die Klimaschutzbewegung fordere - ohne das System der Marktwirtschaft. Bei aller Begeisterung der Jugend für die politische Debatte und vieler Menschen über diese Jugend - sie müsse auch zuhören können und Widerspruch akzeptieren.

Nun soll Lindner, gebranntes Kind in genau dieser Debatte, auch etwas dazu sagen. Der 41-Jährige antwortet: „In meinem Alter will man solch aufgeheizte Debatten nicht mehr führen.“ Merz, der sich vielleicht mehr Lob von Lindner für das Buch erwartet hatte, legt den Finger in die Wunde und erinnert an dessen verspotteten Spruch über die Fridays-for-Future-Bewegung, sie solle die Klima-Politik den „Profis“ überlassen. Davon wollte Lindner genau wegkommen.

Merz findet, es sei heute viel schwieriger Politik zu machen als vor 70 Jahren. Das sage er ohne Larmoyanz. Damals - das Land lag in Trümmern -hätten Entscheidungen von Politikern unmittelbar zur Verbesserung der Lebensgrundlage der Menschen geführt. 2030 könne Deutschland froh sein, wenn es bis dahin sozialen Wohlstand, Frieden und Freiheit sichere. Lindner ergänzt die „Paradoxie“: „Um zu erhalten, was wir haben, werden wir vieles verändern müssen.“

Merz betont, sein Buch sei kein „Parteiprogramm“ und kein „Regierungsprogramm“. Es gehe um eine Priorisierung der Themen. Mitte Januar soll der neue CDU-Vorsitzende gewählt werden. Alle wissen, dass er auch Kanzlerkandidat der Union werden möchte. Ein wichtiges Ziel sei aber, sagt Merz, dass die Mehrheit der Bevölkerung der CDU ein ernsthaftes Bemühen um den besten Weg im Land attestiere. Und dass er auf die „Herabwürdigung des politischen Gegners“ gern verzichten wolle. Das schrecke die Menschen ab. Ohne ihn namentlich zu nennen, mag er damit auf SPD-Vizekanzler und Kanzlerkandidat Olaf Scholz gezielt haben. Dieser hatte Merz am Vorabend in der TV-Sendung „Markus Lanz“ einen „Waschlappen“ genannt. Ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf im Superwahljahr 2021.

(kd)
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