Belästigungsvorwürfe gegen Rainer Brüderle Liberale werfen dem Stern "FDP-Bashing" vor

Berlin · Seit dem Bekanntwerden der Sexismus-Vorwürfe gegen FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle tobt im Internet eine heiß geführte Diskussion um Chauvinismus, das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten und Anzüglichkeiten. Besonders einige Liberale kritisieren dabei mit scharfen Worten die Berichterstattung in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Stern".

Das ist Rainer Brüderle
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Stein des Anstoßes waren Anschuldigungen einer Journalistin in einem Artikel des Magazins. Darin hieß es, dass Brüderle an einem Abend des "Dreikönigstreffens" im vergangenen Jahr die damals 28-Jährige mehrfach anzüglich angesprochen habe und zudringlich geworden sei.

Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth ließ am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter leicht ironisch verlauten, er werde künftig nur noch mit "alten grauen Redakteuren" sprechen. "Zwar geschlechter- und altersungerecht, dafür aber kein Rufmordversuch 1 Jahr später", schrieb er.

In die gleiche Richtung ging eine Meldung des Mainzer Medienunternehmers und stellvertretenden Landesvorsitzenden der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz, Tobias Huch. Er schrieb, die Autorin habe "halt ne rege Phantasie. Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens". Dem Mitglied der "Stern"-Chefredaktion, Hans-Ulrich Jörges, unterstellte er, beim "FDP-Bashing" zu jubeln. Die Geschichte sei eine "erfundene, niveaulose Story".

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den designierten FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle gegen Belästigungsvorwürfe einer "Stern"-Journalistin in Schutz genommen.

"Diese Art der Berichterstattung ein Jahr nach einem angeblichen Vorfall ist zutiefst unfair", sagte Westerwelle am Donnerstag auf dem Flug nach Lissabon. Zudem sei es "unmöglich", Brüderles Ehefrau Angelika in die Berichterstattung hineinzuziehen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), fragte, in welchem "Abhängigkeitsverhältnis" die Journalistin zu Brüderle gestanden habe. "Stern"-Reporter Jens König, bemerkte daraufhin, dass er hoffe, Spahn wolle nicht das Verhalten Brüderles rechtfertigen. Das wolle er nicht, antwortete dieser. Er fände aber, "dass beide Seiten bei dem Spiel Journalist-Politik Respekt verlangen können".

"Sexismus ist überall"

Anders äußerten sich Politiker anderer Parteien zu den Vorwürfen.
Die baden-württembergische Piraten-Politikerin Julia Probst machte in vielen Reaktionen eine Verharmlosung des mutmaßlichen Vorfalls aus, verwies aber gleichzeitig auf Vorwürfe, die jüngst auch gegen die Piratenpartei aufgekommen waren. Mitte des Monats hatte eine Autorin von "Spiegel Online" in einem viel beachteten Artikel bereits über frauenfeindliche Szenen im politischen Alltag berichtet. "Warum wird der #Sexismus bei #Brüderle relativiert, der bei den #Piraten aber als viel schlimmer angesehen? #Sexismus ist überall!", schrieb Probst auf Twitter.

"Wo Männer und Frauen sich nicht auf Augenhöhe begegnen können, da fängt #Sexismus an", twitterte auch der Vorsitzende der NRW-Grünen, Sven Lehmann. Zudem warf er die ironische Frage auf, was der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler dem "Stern" für die Geschichte geboten habe.

Der SPD-Politiker Sebastian Edathy sagte der "taz": "Es zeugt für mich von einem merkwürdigen Berufsverständnis, als Journalistin um Mitternacht an einer Hotelbar ein offizielles Gespräch mit einem Politiker führen zu wollen." Wenn die betroffene Journalistin das Geschehen als übergriffig empfunden habe, hätte sie das schon vor einem Jahr öffentlich machen können.

Die Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae forderte Brüderle bei "Handelsblatt Online" auf, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen: "Es ist völlig egal, ob diese jetzt oder zu einem anderen Zeitpunkt veröffentlicht wurden."

Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) erklärte: "Die Veröffentlichung wirft kein gutes Licht auf Rainer Brüderle. Und es ist schon verwunderlich, dass Brüderle sich noch nicht geäußert hat." Der Presserat teilte mit, es gebe noch keine Beschwerden zu dem "Stern"-Bericht.

Das Büro von Brüderle wollte sich auf wiederholte Nachfrage auch am Donnerstag nicht zu dem Artikel äußern.

"Stern"-Reporterin: Wollte nicht anprangern

"Stern"-Reporterin Laura Himmelreich berichtete über die Begegnung unter dem Titel "Der Herrenwitz". Am Donnerstag sagte sie dem Deutschlandfunk, sie habe Brüderle nicht anprangern wollen.

Himmelreich wurde von dem Sender auf dessen Internetseite zitiert. In ein Mikrofon habe sie nichts sagen wollen. Sie wolle aber die Intention ihres Artikels persönlich klarstellen: "Der Tenor ihres Artikels sollte nie sein: Sie wurde von Rainer Brüderle belästigt und jetzt will sie ihn an den Pranger stellen."

Wörtlich heißt es weiter: "Ihre Absicht sei es gewesen aufzuzeigen, dass Brüderle ein Politiker sei, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Und dass der 67-Jährige nun als Spitzenkandidat der FDP im Wahljahr 2013 ins Rennen geschickt wird - das passe nicht." Vor einem Jahr habe der "Stern" keinen Grund gesehen, ein Stück über Brüderle zu schreiben. Aufgrund seiner exponierten Position habe sich die Lage geändert.

"Stern"-Chef: "Grundmuster seines Verhaltens"

"Stern"-Chefredakteur Thomas Osterkorn verteidigte das Brüderle-Porträt. Die Kollegin habe Brüderle über einen längeren Zeitraum beobachten wollen. Am Anfang der Recherche habe ein unerfreuliches Erlebnis gestanden. "Im Laufe der Recherche hat sich gezeigt, das es offensichtlich ein Grundmuster seines Verhaltens gegenüber Frauen ist."

(dpa/APD)
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