Durchsuchungen bei Klimaaktivisten Letzte Generation wehrt sich gegen groß angelegte Razzia

Berlin · Mitgliedern der Letzten Generation wird die Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Am Mittwoch durchsuchten Polizeikräfte die Räume der Beschuldigten in sieben Bundesländern. Was die Aktivisten dazu sagen.

Seit Wochen geht die Polizei gegen die Proteste der Letzten Generation vor. Nun folgen Hausdurchsuchungen bei den Mitgliedern.

Seit Wochen geht die Polizei gegen die Proteste der Letzten Generation vor. Nun folgen Hausdurchsuchungen bei den Mitgliedern.

Foto: dpa/Julius-Christian Schreiner

Die Fronten zwischen der Letzten Generation und ihren Kritikern verhärten sich: Seit Wochen fordern Politiker der Unionsfraktion im Bundestag härtere Strafen, während sich Szenen häufen, in denen genervte Autofahrer die Klimaaktivsten von der Straße zerren. Zuletzt hatte sich auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) kritisch zu den Protestaktionen geäußert. „Völlig bekloppt“ nannte er diese im Gespräch mit Schülern. Doch nicht nur der Ton wird rauer: Polizei und Staatsanwaltschaft gingen am Mittwoch mit einer groß angelegten Razzia gegen Aktivisten der Letzten Generation vor, die nicht nur von der Gruppe selbst scharf kritisiert wurde.

Rund 170 Beamte durchsuchten ab dem frühen Morgen 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) mitteilten. Einige Mitglieder ständen unter dem Verdacht, Straftaten begangen zu haben. Der Vorwurf: Die Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gemäß Paragraf 129 im Strafgesetzbuch. Seit vergangenem Jahr seien zahlreiche Strafanzeigen aus der Bevölkerung eingegangen.

 Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung im Zuge des Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation in Berlin-Kreuzberg in einer Straße.

Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung im Zuge des Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation in Berlin-Kreuzberg in einer Straße.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Im Fokus des Ermittlungsverfahrens stehen sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren. „Den Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die ‚Letzte Generation’ organisiert, diese über deren Homepage beworben und dadurch bisher einen Betrag von mindestens 1,4 Millionen Euro an Spendengeldern eingesammelt zu haben“, heißt es in einer Mitteilung des BLKA. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Wie viel davon beschlagnahmt wurde, sagte die Polizei zunächst nicht. Ziel der Durchsuchungen sei „das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur“ gewesen, hieß es.

„Wir bereichern uns nicht – im Gegenteil zahlen wir laufend Strafen für das, was wir tun, und gehen auf die Straße mit der Ungewissheit, ob wir die Nacht in einer Zelle verbringen werden“, entgegnete Aimée van Baalen, Sprecherin der Letzten Generation, am Mittwoch in Berlin. Ihre gesamte Arbeit sei öffentlich auf der Internetseite der Letzten Generation einsehbar. Diese wurde jedoch auf Weisung der Justiz vom Netz genommen, wie van Baalen kritisierte. „Was sind das für Untersuchungen, bei denen durch Sperrung unserer Website und unserer Konten so tief in unsere Organisation eingegriffen wird, dass dadurch unser legitimer Protest behindert wird?“, hinterfragte die Sprecherin. Sie könne nicht nachvollziehen, was an dem Vorgehen der Letzten Generation, die ihre Aktionen transparent ankündige und Gespräche mit Politikern, der Polizei und Kirchenoberhäuptern führe, kriminell sei.

„Dass zum wiederholten Male unsere Wohnungen durchsucht werden, das ist völlig bekloppt“, kritisierte van Baalen. Die Razzia hätte alle Unterstützer der Letzten Generation getroffen und Angst in den Reihen der Aktivisten ausgelöst. Nichtsdestotrotz will die Gruppe weiterhin Widerstand leisten, wie die Sprecherin ankündigte: Der Protest werde anhalten, solange die Regierung nicht auf die Forderungen der Letzten Generation eingehe. Am Mittwoch, 31. Mai, um 16 Uhr, sollen in zahlreichen deutschen Städten Protestmärsche stattfinden, zu denen alle Unterstützer aufgerufen werden. Außerdem fänden bereits diese Woche Aktionen in Berlin, München und Leipzig statt. „Wenn unsere Demokratie gefährdet ist, dann ist es nicht nur unser Recht, Widerstand zu leisten, es ist sogar unsere Pflicht“, betonte van Baalen.

Die Aktivisten von Extinction Rebellion solidarisierten sich mit den Aktivisten der Letzten Generation: „Lobbys und Konzernen legen wir das Handwerk nur gemeinsam“, schrieben sie auf Twitter. Die Berufung auf den Paragrafen 129 solle nur dazu dienen, von „den wahren Kriminellen abzulenken“, kritisierte Extinction Rebellion. Sogar von politischer Seite wurde das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft verurteilt: „Die bundesweite Razzia gegen die Letzte Generation ist völlig überzogen“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Linken-Partei, Lorenz Gösta Beutin. Die Menschen, die sich der Gruppe zurechneten, setzten auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen. „Wann findet die Razzia bei den Herren Lindner und Wissing statt und bei all denen, die mit ihrem Bremsen beim Klimaschutz das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 ignorieren?“, fragte Linken-Politiker Beutin mit Blick auf die beiden Bundesminister.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte die Durchsuchungen. „Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Polizei und Justiz nehmen Straftaten nicht hin, sondern handeln – so wie es ihre Pflicht ist“, sagte Faeser der Funke-Mediengruppe. Und auch die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte das Vorgehen. „Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates“, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt.

(mit dpa)
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