Wachsende Kritik an Scholz von FDP und Grünen Der Streit in der Ampel über Leopard-Panzer gewinnt an Schärfe

Berlin/Paris · Bundeskanzler Olaf Scholz gerät nicht nur bei den Verbündeten, sondern auch innerhalb der Ampel-Koalition zunehmend in die Kritik: Der Kanzler solle endlich grünes Licht für die Lieferung schwerer Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine geben. SPD-Spitzenvertreter sehen sich gezwungen, Scholz zur Seite zu springen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD), sitzt beim Deutsch-Französischen Ministerrat anlässlich des 60. Jubiläums des Élysée-Vertrags bei einer Sitzung des Sicherheits und Verteidigungsrats neben Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD).

Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD), sitzt beim Deutsch-Französischen Ministerrat anlässlich des 60. Jubiläums des Élysée-Vertrags bei einer Sitzung des Sicherheits und Verteidigungsrats neben Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) droht wegen seines Abwartens in der Frage der Lieferung von schweren Leopard-Kampfpanzern in die Ukraine den Rückhalt der Berliner Ampel-Koalition zu verlieren: Kritik kommt nicht mehr nur von einzelnen Abgeordneten wie der Düsseldorfer FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder dem früheren Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, sondern auch aus höheren Ebenen bei FDP und Grünen. Während die Union ihre Attacken auf Scholz fortsetzte, sahen sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gezwungen, Scholz zur Seite zu springen. Auch beim deutsch-französischen Regierungstreffen am Sonntag in Paris hielt der Kanzler an seiner abwartenden Haltung fest.

Auf der Ukraine-Konferenz in Ramstein hatte sich Deutschland am Freitag trotz erheblichen Drucks der Verbündeten noch nicht für die Lieferung von Kampfpanzern ins Kriegsgebiet entschieden. Die Bundesregierung erteilte auch keine Liefererlaubnis an andere Länder wie Polen für die in Deutschland produzierten Panzer. Die Außenminister der baltischen Länder und Großbritanniens verstärkten daher am Wochenende ihren Druck auf Scholz, endlich grünes Licht zu geben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, es gebe „keine Alternative“ zur Lieferung westlicher schwerer Kampfpanzer, wenn die Ukraine den Krieg gewinnen solle.

„Wir lassen nicht zu, dass Europa zurückfällt in eine Zeit, in der Gewalt die Politik ersetzte und unser Kontinent von Hass und nationalen Rivalitäten zerrissen wurde“, sagte Scholz am Sonntag in Paris. Dafür stünden die bereits getroffenen Entscheidungen, der Ukraine Schützenpanzer, Spähpanzer und weitere Flugabwehrbatterien zu liefern. Aus der Kanzler-Delegation hieß es, Scholz werde sich von öffentlichem Druck nicht treiben lassen. Er stimme sein Vorgehen mit den Partnern eng ab, vor allem mit den USA. An diesem Vorgehen habe sich nichts geändert.

Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Strack-Zimmermann (FDP), hatte die Kommunikation des Kanzlers am Freitag im ZDF als eine „Katastrophe“ bezeichnet. Es sei ein „Versagen“ Deutschlands, dass auch in Ramstein keine Entscheidung zugunsten der Leopard-Lieferungen gefallen sei.

In der SPD brodelt es seitdem. „Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnappatmung, sondern mit Klarheit und Vernunft“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. „Maßlose Kritik und persönliche Anfeindungen drohen den politischen Diskurs über unsere Ukraine-Hilfen immer weiter von den Tatsachen abgleiten zu lassen. Das ist bedauerlich“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert unserer Redaktion. „Deutschland ist ein solidarischer und berechenbarer Partner der demokratischen und freien Ukraine, ohne aus dem Blick zu verlieren, dass Millionen Deutsche ernste Sorgen vor einer deutschen Verwicklung in den Krieg umtreiben“, betonte Kühnert. „Unsere Unterstützung wird dann am größten sein können, wenn wir die Balance zwischen beiden Perspektiven wahren und persönliche Animositäten hintenanstellen“, sagte Kühnert.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese rief dazu auf, die koalitionsinterne Kritik an Scholz nicht überzubewerten. „Innerhalb der Ampel-Koalition arbeiten wir in dieser herausfordernden Lage konstruktiv und abgestimmt unter der Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Einzelne Abweichungen sollte man aber auch nicht überbewerten“, sagte Wiese.

Dass es bei der Kritik an Scholz nicht nur um Einzelmeinungen geht, zeigt allerdings eine Äußerung von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. „Der Krieg kommt in eine entscheidende Phase“, sagte er unserer Redaktion „Die Ukraine braucht dringend weitere militärische Unterstützung. Wer nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg verliert, muss zügig handeln“, sagte er mit Blick auf den Kanzler.

Auch die Unionsfraktion im Bundestag schoss sich weiter auf Scholz ein. „Der Kanzler treibt Deutschland in die Isolation. Selbst die engsten Verbündeten schütteln über Berlin nur noch den Kopf“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei. „Es ist bitter: Mit seiner Hinhaltetaktik verspielt Scholz die Reputation unseres Landes“, sagte Frei.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, bald in die Ukraine reisen zu wollen. Am Freitag hatte er in Ramstein erklärt, zunächst solle der Bestand an Leopard-Panzern in Deutschland bei der Bundeswehr und der Industrie geprüft werden. Eine solche Prüfung habe es längst gegeben, eine Liste der verfügbaren Panzer liege seit dem Frühsommer 2022 vor, meldete daraufhin der „Spiegel“. Er habe sein Haus angewiesen, die Panzerlieferungen vorzubereiten, um von einer Entscheidung des Kanzlers nicht überrascht zu werden, so Pistorius.

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