Lauterbach plant große Reform Patienten gefährdet – „Krankenhaussystem ist kaputt“
Analyse | Berlin · 10.000 Krebspatienten müssten wohl nicht sterben, wenn die Kliniken besser aufgestellt wären. Zudem droht eine Insolvenzwelle. Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant jetzt eine große Reform. Was der Minister vor hat.
Es ist eine Reform, für die sich aus Sicht von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gerade ein Zeitfenster öffnet. Weil alle wissen, dass dringend etwas getan werden muss und alle dies auch wollen - viele Kliniken schreiben rote Zahlen, die Krankenhausversorgung in Deutschland ist akut gefährdet. Lauterbach plant jetzt eine große Krankenhausreform. Dazu Fragen und Antworten.
Wie ist die Ausgangslage?
Beängstigend. Aus Kreisen des Gesundheitsministeriums hieß es, es gebe „eine Reihe von Nachteilen gleichzeitig“. Viel Geld werde für die Krankenhäuser ausgegeben, aber trotzdem liege eine „schwierige Versorgungsqualität“ vor. „Das Krankenhaussystem ist zum jetzigen Zeitpunkt kaputt“, wurde sogar betont. Die Spitzenmedizin funktioniere nicht, die Uni-Kliniken würden Verluste machen.
Was sind die Folgen?
Bei der Krebsversorgung etwa gibt es nach Berechnungen der Krebsgesellschaft rund 10.000 vermeidbare Krebstote. Die Lage sei nicht besser bei schwerer Herzinsuffizienz – also einer Störung der Herzfunktion. Auch bestehen massive Insolvenzgefahren für die laut einer Erhebung des Ministeriums 1719 Krankenhäuser in Deutschland. „Irgendwo zwischen einem Viertel und einem Drittel der Krankenhäuser sind insolvenzgefährdet“, hieß es aus dem Ressort. Deswegen werde die Reform unbedingt benötigt.
Was ist konkret geplant?
Lauterbach will eine flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherstellen. In einem unserer Redaktion vorliegenden, elfseitigen Eckpunktepapier seines Ressorts heißt es: „Um diese Ziele zu erreichen, erhalten die Krankenhäuser künftig eine Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, die ihnen durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen wurden und deren Qualitätskriterien sie erfüllen.“ Ausgangspunkt des Plans sind Vorarbeiten in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus sollen die Krankenhäuser in Versorgungsstufen eingeteilt werden, „Level“ genannt. Diese dienen der Information und Aufklärung von Patienten über das Leistungsangebot, also welche Behandlungsbereiche die Häuser schwerpunktmäßig anbieten. Drei Level soll es geben - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Level-3-Krankenhäusern, der Maximalversorgung. Die Länder hatten dies zuletzt kritisch gesehen. „Der Bund hält an der Einteilung nach Leveln fest“, war zu hören.
Was sind Vorhaltevergütungen?
Ziel ist es, dass „der Anreiz auf eine möglichst hohe Fallzahl gesenkt“ werde, schreibt das Ministerium in dem Papier. Das derzeitige Vergütungssystem sieht Pauschalen für Behandlungsfälle vor. Damit braucht es aber auch eine ausreichende Fallzahl, um einen Betrieb aufrechtzuerhalten. Da etwa in der Geburtshilfe die Anzahl an Fällen gerade im ländlichen Bereich nicht immer ausreichten, waren in der Vergangenheit Abteilungen in Kliniken von einer Schließung bedroht. In dem Papier heißt es jetzt: „Mit der Einführung der Vorhaltevergütung wird die Vorhaltung von Strukturen in Krankenhäusern weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Teil gesichert.“
Könnte es zu einem Kahlschlag bei den Kliniken kommen?
Behauptungen seien falsch, „dass die Hälfte Klinken geschlossen werden muss“, so zumindest Ministeriumskreise. Lauterbach selbst sagte in dieser Woche im Bundestag: „Wir wollen keine Krankenhäuser schließen, sondern im Gegenteil: Diese Reform hat zum Zweck, dass die Krankenhäuser am Netz bleiben können, die ohne die Reform schließen müssten.“ Sie müssten dann etwas mehr ambulante Leistungen erbringen, „aber sie überleben dort, wo sie benötigt werden“.
Wie ist der weitere Fahrplan?
In der kommenden Woche will man die Pläne erneut mit den Ländern beraten, dann vor der Sommerpause Eckpunkte präsentieren und über den Sommer einen Referentenentwurf erarbeiten. Unter Beteiligung von Experten aus den Länder, um maximale Transparenz herzustellen. Die Reform braucht eine Zustimmung der Länder, da diese für die Krankenhausplanung und auch für Investitionen zuständig sind. Umstellen will Lauterbach das Finanzierungssystem zum Jahresbeginn 2025.