Interview mit Lars Klingbeil „Die nächste Bundestagswahl wird im Netz entschieden“

Berlin · Der SPD-Generalsekretär spricht im Interview über Armin Laschets fehlenden Einfluss auf das Konjunkturpaket der Bundesregierung, die Vorzüge der Corona-Warn-App und gleiche Chancen im Wahlkampf von Union, Grünen und SPD.

 Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär (Archiv).

Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär (Archiv).

Foto: imago Images/Thomas Trutschel

Herr Klingbeil, für das Konjunkturpaket gab es viel Lob. Kritisch ist aber, dass Sie nach der Senkung der Mehrwertsteuer nur hoffen können, dass die Händler die Preise senken. Ging das nicht anders?

Klingbeil Um jetzt schnell aus dem Stillstand der letzten Wochen rauszukommen, werden sich die Unternehmen um die Kunden bemühen und mit dem Weiterreichen der niedrigeren Mehrwertsteuer werben. In den nächsten Wochen startet ein Kampf um die attraktivsten Preise, da bin ich mir sicher.

Und die Mehrwertsteuersätze werden dann zum Auftakt des Wahljahres und vielleicht sogar in einer zweiten Corona-Welle im Winter wieder steigen? Kaum vorstellbar.

Klingbeil Es geht darum jetzt kurzfristig durch die Mehrwertsteuersenkung den Konsum anzukurbeln. Nach sechs Monaten endet die Senkung automatisch. So ist das vereinbart.

Sie schließen also aus, dass es zu einer Verlängerung der Absenkung kommen kann?

Klingbeil In unsicheren Zeiten sollten wir Schritt für Schritt gehen. Niemand weiß, wie sich die Konjunktur entwickelt. Klar ist: Die Absenkung der Mehrwertsteuer gilt bis zum Jahresende. Ob es dann weitere Konjunkturimpulse braucht, weil wir vielleicht gegen eine zweite Corona-Welle kämpfen, entscheiden wir zu einem späteren Zeitpunkt.

Für die SPD war die Tilgung der Altschulden besonders belasteter Kommunen eigentlich zentral. Ist das Thema jetzt vom Tisch?

Klingbeil Wir werden weiter für die Entschuldung der Kommunen kämpfen. Dass ist uns ein Anliegen. Wir haben dabei viel Unterstützung aus den Kommunen und Bundesländern. Sogar Armin Laschet stand da ja eigentlich an der Seite von Olaf Scholz und der SPD. Offenkundig hat er aber in den eigenen Reihen von CDU und CSU nichts zu melden. Und das als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes.

Die SPD ist doch in den Verhandlungen davon abgerückt, um die Mehrwertsteuersenkung und die Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft zu ermöglichen.

Klingbeil Wir hatten das klare Ziel, mit dem Konjunkturprogramm die Kommunen auf dem Weg aus der Krise zu unterstützen. Sie brauchen finanziellen Spielraum, um investieren zu können. Das haben wir mit dem Kompromiss mit der Union jetzt erreicht, den Kommunen ist damit sehr geholfen. Trotzdem werden wir den Altschuldenfonds weiter verfolgen. Wenn es jetzt mit der Union nicht mehr klappt, schreiben wir das Vorhaben in unser Regierungsprogramm für die Bundestagswahl.

Für das 130-Milliarden-Paket nimmt der Bund hohe Schulden auf, deren Lasten künftige Generationen tragen müssen. Ist das sozial gerecht?

Klingbeil Es ist richtig, dass wir jetzt Geld in die Hand nehmen, um unser Land wieder in Schwung zu bringen, Arbeitsplätze zu sichern, Familien zu unterstützen, Unternehmen zu retten. Es wäre am Ende viel teurer, wenn wir jetzt in der Krise nichts machen. Das schadet künftigen Generationen viel mehr als sinnvolle Investitionen.

Sie waren lange der wichtigste Digitalpolitiker der SPD-Fraktion. Glauben Sie, dass die Corona-Krise den Deutschen eine weit verbreitete Skepsis gegenüber digitalen Instrumenten genommen hat?

Klingbeil Eindeutig, ja. Wenn ich mir anschaue, wie selbstverständlich und schnell sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins Homeoffice gewechselt sind und von dort bereits seit Monaten ihrem Job über Onlineplattformen nachgehen, stimmt mich das sehr optimistisch.

Auch was die Akzeptanz der Corona-Warn-App angeht, die in einigen Tagen an den Start gehen soll?

Klingbeil Ich hoffe, dass möglichst viele Menschen die App nutzen werden. So können wir uns gegenseitig als Gesellschaft unterstützen. Dann kann die App ihre volle Wirkung entfalten und maßgeblich dazu beitragen, dass keine zweite Corona-Welle über uns hereinbricht.

Sollte es zusätzliche Privilegien für Menschen geben, die die App herunterladen und nutzen?

Klingbeil Das Privileg für die Nutzer der App wird sein, zu erfahren, ob sie mit einem Corona-Infizierten Kontakt hatten oder sich in seiner Nähe aufhielten. Ich finde, die freiwillige Möglichkeit für den eigenen Gesundheitsschutz auf diesem Weg ist ein großes Privileg. Es braucht keine zusätzlichen Anreize, schon gar nicht finanziell.

Die Corona-Krise zwingt auch Sie als Generalsekretär, digitaler zu arbeiten. Wird der nächste Parteitag virtuell ablaufen?

Klingbeil Wir haben in der Runde der Generalsekretäre dafür jetzt überhaupt erst mal den Weg geebnet. Damit inhaltliche Beschlüsse auch online gefasst werden können, wollen wir, dass das Parteiengesetz entsprechend angepasst wird. Für diese Modernisierung habe ich mich schon vor Corona eingesetzt. Auch was den Wahlkampf angeht, arbeiten wir derzeit an neuen digitalen Formaten.

Inwiefern?

Klingbeil Ich bin überzeugt, dass die nächste Bundestagswahl im Netz entschieden wird. Wer hier am besten aufgestellt ist, gewinnt. Und ich werde als Wahlkampfmanager dafür sorgen, dass die SPD darauf gut vorbereitet ist.

Und aus alten Fehlern wie verstolperten Aufstellungen der Kanzlerkandidaten gelernt haben?

Klingbeil Ja, dafür müssen Programm und Personal aufeinander abgestimmt sein. Nach der Sommerpause machen die beiden Parteivorsitzenden einen Vorschlag zur Kanzlerkandidatur. Noch vor Jahresende hat die SPD dann einen Kandidaten. Die CDU wird zu dem Zeitpunkt nicht einmal wissen, wer die Partei künftig führt und mit welchem Kandidaten sie in den Wahlkampf startet.

Und Olaf Scholz ist am besten geeignet, um gegen Armin Laschet oder Markus Söder zu gewinnen?

Klingbeil Die Parteivorsitzenden haben das Vorschlagsrecht, dem greife ich nicht vor. Olaf Scholz leistet als Vizekanzler und Finanzminister hervorragende Arbeit und bekommt dafür in der Bevölkerung große Anerkennung. Was für mich wichtig ist: Das Zusammenspiel zwischen Parteispitze, Fraktion und SPD-Mitgliedern der Bundesregierung funktioniert gut und ist eine wichtige Grundlage für einen erfolgreichen Wahlkampf.

Schließen Sie für sich aus, sich als Kanzlerkandidat zu bewerben?

Klingbeil Die beiden Parteivorsitzenden haben das Vorschlagsrecht.

Und dann braucht es den Abgang von Angela Merkel, bis es auch bei der SPD einzahlt, was Sie in der Regierung gerade so alles durchsetzen?

Klingbeil Wenn ich in andere europäische Länder schaue, gibt es während der Corona-Krise überall diesen Effekt, dass sich die Menschen hinter der Regierungschefin oder dem Regierungschef versammeln. Der kleinere Koalitionspartner profitiert auch in anderen Ländern nicht in den Umfragen. Das muss ich zur Kenntnis nehmen. Es wird sich aber viel verändern, wenn Angela Merkel geht und die Menschen merken, dass es dann in der Union um Laschet, Söder oder Merz geht. Alle drei Parteien, wenn ich die Grünen und uns dazu nehme, starten von derselben Startlinie im nächsten Wahlkampf. Und das ist anders als bei anderen Wahlkämpfen davor.

Hat die SPD denn so viel Geld für den Wahlkampf übrig wie bei den vergangenen Wahlen?

Klingbeil Natürlich sind die letzten Wahlen nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Ich mache mir aber keine Sorgen was die Finanzierung unseres Wahlkampfes angeht.

(jd)
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