Nach den Landtagswahlen im Osten Die Normalisierung einer Neonazi-Partei

Meinung | Erfurt/Leipzig · Vor allem durch den Sieg der AfD in Thüringen und ihrer Galionsfigur Höcke kommt dem rechtsextremen Teil der Partei zwangsläufig mediale Aufmerksamkeit zu. Eines sollte dabei beachtet werden: Demaskierung statt Dämonisierung.

Ein Faschist im Fernsehstudio: Der Thüringer Spitzenkandidat Björn Höcke im ARD-Wahlstudio.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Der britische „Guardian“ nennt ihn den „wahren Chef der deutschen Rechtsextremisten“, die BBC widmet Björn Höcke eine Bildergalerie auf ihren Social-Media-Kanälen und die „New York Times“ kommt zu dem Schluss: „Es war das erste Mal seit der Nazizeit, dass eine rechtsextreme Partei die Wahl in einem Bundesland gewonnen hat". International gibt Deutschland mit der AfD ein Bild des Schreckens ab, während die Szenen mit der Partei in deutschen Medien beinahe banal und normal wirken.

Das ist AfD-Politiker Björn Höcke - ein Porträt
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Das ist Björn Höcke

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Doch es ist alles andere als normal, und es sollte auch nicht den Anschein erwecken. Wenn Björn Höcke am Wahlabend vielsagend schweigt und seinen Triumph für die Kameras der allgemeinen, nicht parteinahen Medien inszeniert, sind das Bilder eines Faschisten – als der er auch bezeichnet werden darf. So moderiert es ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten am Sonntagabend in den Nachrichten an – und erhält dafür gleichermaßen Kritik wie Zuspruch. Die Öffentlichkeit ringt mit sich: Wie soll, ja wie muss man umgehen mit Parteivertretern, die an der Spitze gesichert rechtsextrem eingestufter Landesverbände stehen?

Ignorieren lässt sich eine Partei mit solchen Wahlergebnissen und dem entsprechenden politischen Einfluss gewiss nicht. Dass Höcke im ARD-Wahlstudio provozieren und mokieren kann, seine Partei solle bitte nicht als rechtsextrem „stigmatisiert“ werden, dass Co-Parteichef Tino Chrupalla ausführlich im „Heute Journal“ zur Wahl interviewt wird – all das gehört zur neuen Normalität auch der Medienlandschaft. Die AfD ist schließlich keine verbotene Partei, ein solcher Schritt ist in absehbarer Zeit auch nicht zu erwarten. Jede allzu sehr bemühte Diskussion, die in diese Richtung drängt, bewirkt ohnehin eher ein Erstarken der AfD.

Es ist der jahrelangen Strategie der AfD zuzuschreiben, dass diese Mechanismen jetzt greifen: Die Selbstverharmlosung. Gestartet mit schrilleren Tönen – damals noch eher zu Euro- als zur Asylpolitik – hat die AfD dann auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung Migration lautstark zu ihrem Thema machen können. Seither haben die ganz bizarren Auftritte abgenommen, die schrägsten und radikalsten Figuren teilweise die Partei verlassen. Björn Höcke spricht nicht mehr vom „afrikanischen Ausbreitungstyp“ oder schmäht Holocaustgedenken – jedenfalls nicht vor dem breiten Publikum.

Wer den möglicherweise mächtigsten Mann der Partei seit einigen Jahren verfolgt, stellt fest, dass seine Reden sprachlich weichgespülter und inhaltlich intellektueller anmuten. Den großen Scharfmacher mimt er vor großem Publikum nicht (mehr). Ähnlich halten es auch andere Funktionäre, die dem formal aufgelösten rechten „Flügel“ angehörten. Das harmlose Erscheinungsbild, das Kümmerer-Image, die Nähe zum einfachen Volk vor allem in den ostdeutschen Bundesländern scheint vom Erfolg gekrönt. Ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben die meisten AfD-Wähler schließlich auch im Osten nicht.

Genau das macht es so schwierig, die AfD eindeutig zu entlarven – sie liefert diese Bilder und Szenen von offen rechtsradikalen Parolen nicht mehr. Demaskieren bedeutet bei der nun in zwei Landtagen stark etablierten AfD einmal mehr: gründlich recherchieren, genau berichten, Fakten vorbringen. Dämonisieren hilft nicht – es bietet der AfD bloß weiteres Futter für ihre Opferinszenierung. Ihre Anhängerschaft steht ihnen schließlich näher als jenen Medien, denen sie kaum noch Vertrauen schenken. Das gilt es nun zurückzugewinnen, ohne eine Neonazi-Partei zu normalisieren.

(jra)