Landtagswahlen Auch für CDU-Chef Merz wird es jetzt ziemlich kompliziert
Analyse | Berlin · Die Union siegt knapp in Sachsen und landet in Thüringen auf dem zweiten Platz. In Berlin ist man zufrieden, doch einfach werden die nächsten Wochen für CDU-Chef Friedrich Merz nun nicht. Auch er steht unter Zugzwang.
In den Stunden vor Schließung der Wahllokale versuchten die Unionisten, noch mal etwas Kraft zu tanken, sich auch in früheren Erfolgen zu sonnen und sich selbst zu rühmen - die CDU/CSU-Bundestagsfraktion feierte am Sonntagmorgen zunächst ihr 75-Jähriges Bestehen. Und das im beschaulichen Bonn am Rhein, wo Politik oft etwas gemächlich dahin geschwappt ist. Dort jedenfalls beschwor der Fraktionschef und CDU-Vorsitzende Friedrich Merz die Geschlossenheit der Union. Die wird auch notwendig sein. Denn nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen beginnen nun wieder unruhige Zeiten für Merz & Co. In vielerlei Hinsicht.
In Sachsen stärkste Partei geblieben, die AfD hat aber stark aufgeholt; in Thüringen dazu gewonnen, aber klar hinter den Rechten geblieben und mit einer überaus komplizierten Aussicht auf die Macht. Das ist die Bilanz der CDU bei den Landtagswahlen in den beiden Ost-Ländern. Sie kann sich als Sieger sehen, aber halt mit leichten Kratzern an der Krone. Parteichef Merz wird sich erst an diesem Montag im Berliner Konrad-Adenauer-Haus äußern, nach den Beratungen der Gremien, dann zusammen mit den beiden Spitzenkandidaten Michael Kretschmer und Mario Voigt auf dem Podium.
Auf eine Wahlparty verzichtete die Bundes-CDU am Sonntagabend. Kurz nach 18 Uhr trat aber CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vor die Kameras. Linnemann betonte, man behalte die Ruhe. Wenn er auf die Zahlen schaue, gebe es nur noch eine „echte verbliebene Volkspartei.“ Michael Kretschmer in Sachsen habe Platz eins geholt, Mario Voigt in Thüringen - der die Regierungsübernahme anstrebt - sei nahe der 25 Prozent. „Wir sind das Bollwerk , sagte Linnemann.
Da die AfD in Deutschland jetzt so stark sei, müssten sich die etablierten Parteien durchaus fragen, was sie richtig und nicht richtig machen würden. Aber: „Eine Kanzlerpartei, die in beiden Ostländern nur noch einstellig ist, muss sich die Frage stellen, macht sie überhaupt noch Politik für das Volk“, richtete Linnemann seinen Blick auf die SPD. Und auf Olaf Scholz. Für die Sozialdemokraten waren die Wahlen in der Tat ein Debakel.
Doch auch die Union steht nun vor wichtigen Weichenstellungen. Zum einen stellt sich die Frage, mit wem man angesichts der komplizierten Gemengelage in den beiden Ländern eine Regierung bilden will. Merz hatte offiziell verkündet, er wolle sich raushalten, das sei Sache der Landesverbände. Eine Kooperation mit der AfD soll es keinesfalls geben, eine mit dem überraschend starken Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wohl eher. Käme es so, würde das ebenso auf die Bundesebene ausstrahlen.
Intern gibt es schon viel Kritik, dass mit der Wagenknecht-Truppe im Allgemeinen und mit Wagenknecht im Besonderen eventuell gemeinsame Sache gemacht werden könnte. Dafür aber nicht mit einer inzwischen eher weichgespülten Linken wie in Thüringen. Merz wird sich vielleicht nicht am Montag, aber in den nächsten Wochen dazu verhalten müssen. Er steht unter Zugzwang. Schließlich werden mögliche Koalitionen im Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr eine große Rolle spielen.
Auch, wie es die Union weiter mit der AfD hält, wird nach dem Erfolg der Rechten in den beiden Ländern wieder debattiert werden. Linnemann erklärte am Wahlabend, eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es in Sachsen und Thüringen nicht geben. „Und dabei bleibt es. Da sind wir sehr, sehr klar“, so der CDU-Politiker. Man mache auch seit Monaten Druck bei der Migration, die Ampel reagiere darauf jetzt. Und überhaupt: „Wir warten jetzt mal ab“, wehrte der Generalsekretär alle Fragen nach Koalitionsoptionen ab.
CDU-Präsidiumsmitglied Julia Klöckner betonte: „Dass die Regierungsbildungen nicht einfach werden würden, war klar. Vor allem in Thüringen.“ Dennoch könne es Mario Voigt gelingen, Ministerpräsident zu werden. Klöckner sagte unserer Redaktion überdies: „Die beiden Wahlen waren auch ein klares Votum gegen die Ampelpolitik in Berlin.“
Der Generalsekretär der CDU Mecklenburg-Vorpommern, der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, ergänzte: „Die CDU ist im Osten klar stärkste Kraft der politischen Mitte und die einzig verbliebene Volkspartei.“ Man habe nicht nur in Sachsen einen klaren Regierungsbildungsauftrag, sondern die CDU sei „auch in Thüringen aufgerufen, als stärkste konstruktive Kraft der politischen Mitte im Zentrum der schwierigen Regierungsbildung zu wirken“, so Amthor zu unserer Redaktion.
Ist Friedrich Merz nun aber gestärkt durch die beiden Urnengänge – oder nicht? Das wird sich vermutlich erst dann beantworten lassen, wenn klarer ist, wie die Union in Sachsen und Thüringen Regierungen bilden will. Der Weg zur Kanzlerkandidatur bleibt daher spannend. Noch steht der genaue Fahrplan aber nicht, und wenn doch, wird in der Union eisern dazu geschwiegen. Ende der Woche kommt der Fraktionsvorstand von CDU/CSU im brandenburgischen Neuhardenberg zur Klausur zusammen, dort wird es um die Migrationspolitik gehen. Aber sicherlich auch über die Folgen der Landtagswahlen. Am 22. September wählt dann Brandenburg, am 11. und 12. Oktober ist CSU-Parteitag in Augsburg. Ob davor die Würfel in der K-Frage fallen oder danach, das wissen wohl nur ganze Wenige.