Landtagswahl im Saarland SPD mit deutlichem Sieg - Amtsinhaber Hans abgestraft

Saarbrücken · Bei der Landtagswahl im Saarland ist die bislang regierende CDU klar vom Wähler abgestraft worden. Ersten Hochrechnungen zufolge hat die SPD massiv hinzu gewonnen, es sieht sogar nach der absoluten Mehrheit aus. Die Linke wird wohl nicht in den Landtag einziehen.

 Die strahlende Siegerin der Landtagswahl im Saarland: Anke Rehlinger.

Die strahlende Siegerin der Landtagswahl im Saarland: Anke Rehlinger.

Foto: AFP/JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN

Im Saarland gibt es nach mehr als zwei Jahrzehnten unter Führung der CDU einen Machtwechsel. Bei der Landtagswahl am Sonntag wurde die SPD nach ersten Hochrechnungen mit großem Abstand stärkste Partei. Damit kann ihre Spitzenkandidatin, die bisherige Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger, den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Tobias Hans ablösen. "Das Saarland hat Rot gewählt", sagte Rehlinger. "Die Saar-SPD hat die Wahl gewonnen."

"Natürlich werde ich persönliche Konsequenzen ziehen", kündigt CDU-Ministerpräsident Tobias Hans mit Blick auf die Niederlage seiner Partei an. Die genauen Abläufe würden in aller Ruhe in den Parteigremien beraten. Er sprach in der ARD von einer "sehr bitteren Niederlage", für die er persönlich die Verantwortung übernehme.

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Nach den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF legten die Sozialdemokraten mit ihrer Spitzenkandidatin um mehr als 13 Punkte zu und kamen auf 43,1 bis 43,8 Prozent. Die CDU von Ministerpräsident Tobias Hans schnitt mit 27,5 bis 27,6 Prozent historisch schlecht ab. Die AfD erreichte 5,5 Prozent, die Grünen 5,6 bis 5,8 und die FDP 4,9 bis 5,0. Vor allem die Freidemokraten müssen um den Einzug in den Landtag bangen. Die Linke dürfte mit 2,6 bis 2,7 Prozent aus dem Landtag in Saarbrücken fliegen. Die Partei hatte sich an der Saar schwere Querelen geleistet - bis hin zum Austritt ihres Ex-Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine, der früher auch einmal sozialdemokratischer Ministerpräsident war.

Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF hat die SPD sogar knapp die absolute Mehrheit errungen. Nach den ARD-Zahlen um 19 Uhr holte die SPD 26 der 51 Sitze im Landtag in Saarbrücken, nach den ZDF-Zahlen sogar 28. Der Unterschied resultiert daraus, dass nach den ZDF-Hochrechnungen die FDP mit 4,9 Prozent nicht in den Landtag kommt, nach den ARD-Zahlen mit 5,0 Prozent jedoch drinnen ist.

Rehlinger kündigte am Abend eine schnelle Regierungsbildung an. Sie werde kommende Woche zu Gesprächen laden, sagte sie mit Blick auf künftige Koalitionspartner. Die SPD sei auch für eine Alleinregierung offen, wenn dies stabil nach dem endgültigen Wahlergebnis möglich sei, betont sie im ZDF. Man müsse ansonsten sehen, ob es mit der CDU oder kleineren Parteien verlässliche Partner geben könne.

Damit hätte die stellvertretende SPD-Bundesvize Rehlinger in ihrer Heimat im zweiten Anlauf den Sprung nach ganz oben geschafft. Die 45-Jährige wäre die erste SPD-Regierungschefin in der Geschichte ihres Landes. Bundesweit stünden dann vier sozialdemokratische Frauen an der Spitze einer Landesregierung - so viele wie noch nie. Die anderen Parteien von Union über Grünen bis Linke haben nur männliche Regierungschefs.

Das Saarland mit lediglich einer Million Einwohnern ist auch das kleinste Flächenland unter den Bundesländern. Der Landtag mit 51 Abgeordneten ist der kleinste in Deutschland. Trotzdem galt die Wahl auch als erster Stimmungstest für die Ampel-Koalition unter SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz und die Union unter dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. In diesem Jahr folgen noch Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Aufgrund der ersten Zahlen wäre im Saarland eine Koalition unter Führung der SPD sowohl mit CDU als auch Grünen mehrheitsfähig. Reichen könnte es auch für eine sozialliberale Regierung oder eine Ampel-Koalition wie in Berlin, wenn es die FDP in den Landtag schafft. Andererseits wäre selbst eine absolute Mehrheit für die SPD nicht ausgeschlossen, sollten mehrere kleinere Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Die CDU stellte in Saarbrücken seit fast 23 Jahren ohne Unterbrechung die Regierungschefin oder den Regierungschef. Hans war allerdings zum ersten Mal Spitzenkandidat seiner Partei. Der heute 44-Jährige hatte den Posten 2018 von Annegret Kramp-Karrenbauer übernommen, die damals aus dem Saarland in die Bundespolitik wechselte. Im Wahlkampf ließ Hans offen, ob er bei einer CDU-Niederlage auch als Vize unter Rehlinger ins Kabinett gehen würde. In allen Umfragen hatte er viel schlechtere Beliebtheitswerte als Rehlinger.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat seiner Parteikollegin Anke Rehlinger zum Wahlsieg im Saarland gratuliert. „Die Saarländerinnen und Saarländer haben sich klar für einen Wechsel an der Spitze ihres Landes entschieden“, schrieb der SPD-Politiker am Sonntagabend auf Twitter. „Und ich bin sicher: Niemand wird ihn besser gestalten als Du“, schrieb er an Rehlinger gewandt. „Herzlichen Glückwunsch zum überzeugenden Wahlsieg!“

Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD in Nordrhein-Westfalen, hat zum Erfolg bei der Landtagswahl gratuliert. „Das ist ein hervorragendes Ergebnis für Anke Rehlinger und die SPD im Saarland“, teilte der SPD-Spitzenkandidat für die NRW-Landtagswahl am Sonntagabend mit. Für die SPD in NRW gebe der Wahlerfolg im Saarland Rückenwind für die Wahl im Mai. Jetzt gelte es, auch die Menschen in Nordrhein-Westfalen für sichere Arbeitsplätze, bessere Schulen, bezahlbarere Wohnungen und gegen die Schließung von Krankenhäusern zu überzeugen.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert spricht von einem "Erdrutschsieg". "Das gibt wahnsinnigen Rückenwind", sagt er im ZDF mit Blick auf die Landtagswahlen im Mai. Einen positiven Effekt habe auch die Bundes-SPD gehabt.

Kühnert sagte aber auch: „Es ist natürlich ein Abend der geteilten Gefühle“. Er sprach von schwierigen Umständen, unter denen man lebe, offenbar in Anspielung auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine. „Das ist ganz klar der Sieg der Saar-SPD und von Anke Rehlinger persönlich. Anders sind solche Ergebnisse nicht möglich“, sagte Kühnert.

Der Generalsekretär der CDU-NRW, Josef Hovenjürgen, sieht keine Signalwirkung des Saarland-Ergebnisses für die Landtagswahl in NRW. „Die CDU um Tobias Hans hat unter Coronabedingungen und im Schatten des Ukraine-Kriegs sicherlich keinen einfachen Wahlkampf führen können“, sagte Hovenjürgen unserer Redaktion. Letztlich sei es im Saarland nicht gelungen, eine Mehrheit der Wähler zu überzeugen. Die Saar-CDU werde die Ursachen dieser klaren Niederlage selbst benennen. „Am Ende waren dort die landesspezifischen Themen ausschlaggebend“, sagte Hovenjürgen. „In Ländern, wo die CDU als Regierungspartei einer Koalition ohne die SPD die Menschen mit einem klaren Kurs erreicht, schlägt sich das in großer Zustimmung und damit anderen Ergebnissen nieder.“

Der frühere Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich nach den ersten Prognosen zur Landtagswahl im Saarland sehr zufrieden über das Abschneiden seiner Partei geäußert. „Das ist ein phänomenaler Erfolg für uns“, sagte Maas am Sonntagabend. In „allen wichtigen Politikfeldern“ habe die SPD einen „großen Kompetenzvorsprung“ vor der CDU gehabt. Spitzenkandidatin Rehlinger habe außerdem auch einen „großen Popularitätsvorsprung“ gegenüber dem noch amtierenden Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) genossen.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sieht in der Landtagswahl im Saarland nur eine regionale Wahl. "Es ist ganz offensichtlich ein saarländisches Wahlergebnis gewesen", sagt er. "Auswirkungen auf die anderen Bundesländer sehe ich derzeit nicht", fügt er mit Blick auf die Landtagswahlen im Mai hinzu. In der Bundespolitik sei man auf Augenhöhe mit der SPD. Die CDU im Saarland sei nach der Niederlage nicht in der Situation, irgendwelche Forderungen zu stellen, sagt Czaja. "Der Regierungsauftrag liegt klar bei der SPD."

FDP-Bundeschef Christian Lindner hat den Ausgang der Landtagswahl als eine Bestätigung der "Politik der Ampel-Koalition" auf der Bundesebene bezeichnet. Die Anteile seien dabei allerdings nicht gleich auf die Parteien verteilt, sagte Lindner am Sonntag im ZDF. "Sehr stark" zeige sich dies etwa beim Abschneiden der SPD an der Saar. Aber auch FDP und Grüne hätten dort profitiert.

Insgesamt sei der bundespolitische Einfluss auf das Wahlergebnis im Saarland nach seiner Überzeugung allerdings auch "nicht zu groß bemessen", fügte der Bundesfinanzminister an. Dies zeigten die persönlichen Umfragewerte von SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger. Für die FDP im Saarland sei die Ausgangslage zudem schwierig gewesen, weil sie dort seit zehn Jahren nicht mehr im Landtag war.

Die Bundesvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, hat sich tief enttäuscht über das schlechte Abschneiden ihrer Partei geäußert. Das Ergebnis sei „wirklich bitter und ein Desaster“, sagte sie am Sonntagabend im ZDF. „Das Ergebnis ist mit Sicherheit davon geprägt, dass die Linke im Saarland über die vergangenen Jahre heftige Auseinandersetzungen geführt hat“, sagte sie. „Und es ist wie es ist: Man wählt keine zerstrittenen Parteien.“ Zur Rolle des ehemaligen Parteichefs Oskar Lafontaine, der kurz vor der Wahl aus der Partei ausgetreten war, sagte sie: „Er weiß um seine eigene Verantwortung.“

Grünen-Chefin Ricarda Lang hat das Abschneiden ihrer Partei als "ganz klaren Erfolg" bezeichnet. Dass die Grünen damit voraussichtlich wieder in allen 16 Landtagen vertreten seien, sei ein "klarer Rückenwind", sagte Lang am Sonntag. Nun liege der Ball bei Wahlsiegerin Anke Rehlinger, eine Regierung zu bilden.

(felt/AFP/dpa)
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