Umstrittene Thesen des Bundesbank-Vorstands Lammert kritisiert Debatte um Sarrazin

Frankfurt/Main (RPO). Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die Debatte um die umstrittenen Thesen von Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin kritisiert. Diese sei "kein strahlendes Beispiel überzeugender Streitkultur", sagte Lammert gegenüber unserer Redaktion.

Presse: Sarrazin hat es geschafft
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Foto: ddp

"Auch wenn die Tonlage seiner Argumentation ärgerlich und die Neigung zur Verallgemeinerung irritierend ist, ersetzt eine wohlfeile Empörung nicht die ehrliche Auseinandersetzung mit offensichtlichen Fehlentwicklungen bei Migration und Integration, die viel zu lange verdrängt worden sind", unterstrich der CDU-Politiker. Es reiche allerdings nicht aus, Probleme zu beschreiben, man müsse sie auch lösen wollen, ergänzte Lammert.

"Thilo Sarrazin darf sich nicht darüber beklagen, dass ihm diesen guten Willen nach seinen ebenso selbstverliebten wie wirren Äußerungen der letzten Tage kaum noch jemand abnehmen will", erklärte Lammert. Auf Sarrazins Buchtitel "Deutschland schafft sich ab" anspielend, stellte Lammert fest: "Weder schafft sich Deutschland ab, noch lösen sich die angesprochenen Probleme von selbst."

Umgang mit Sarrazin "SPD-Basis schwer zu vermitteln"

Nachdem der Vorstand der Bundesbank seine Entscheidung am Mittwoch vertagt hat, ist der Verbleib von Thilo Sarrazin im Bundesbank-Vorstand zunächst weiter offen. FDP-Generalsekretär Lindner forderte Sarrazin indirekt zum Rücktritt auf. Indes stößt das SPD-Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin wegen dessen umstrittener Aussagen zur Integrationspolitik bei der Parteibasis auf Widerstand.

Der Umgang der Partei mit Sarrazin sei "den Wählern und an der SPD-Basis nicht leicht zu vermitteln", räumte Parteichef Sigmar Gabriel in der "Bild"-Zeitung ein. In Zuschriften und Anrufen werde die Parteispitze natürlich auch gefragt, "ob das denn nötig ist".

Es müsse klargestellt werden, "dass es bei diesem Ausschluss nicht um Sarrazins Kritik an den Fehlern der Integrationspolitik geht, sondern um sein fatales menschenverachtendes Menschenbild". Gabriel betonte am Rande seiner Sommerreise durch Sachsen-Anhalt zugleich, Sarrazin habe "jede Chance, sich zu korrigieren und zu sagen, da habe ich mich verrannt, das ist falsch".

Zustimmung für Sarrazins Thesen

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, wandte sich gegen einen Parteiausschluss von Sarrazin. "Man darf keinen Märtyrer aus Sarrazin machen", sagte er dem "Tagesspiegel". Beim SPD-Parteivorstand gingen nach Informationen der "Berliner Zeitung" in den vergangenen Tagen rund 2000 E-Mails ein. Rund 90 Prozent der Absender äußerten sich demnach zustimmend zu Sarrazins Thesen.

42 Prozent der Deutschen halten Sarrazin laut einer Umfrage für die "Bild"-Zeitung als Bundesbanker für untragbar. Knapp jeder zweite Deutsche (46 Prozent) teilt allerdings die Furcht Sarrazins, die Deutschen könnten immer mehr zu Fremden im eigenen Land werden, wie eine weitere Umfrage für das Magazin "stern" ergab.

Kritik aus der Koalition

FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte Sarrazin indirekt zum Rücktritt auf. Er müsste "selbst die Charakterstärke haben, sein Haus nicht in solche Kontroversen zu stürzen", sagte Lindner der "Neuen Westfälischen". Sarrazin steht seit Tagen wegen seiner Thesen zur Integrationsfähigkeit von Ausländern in der Kritik.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht in dem Verhalten Sarrazins einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zurückhaltung, der ein Bundesbankvorstand unterliege. Sarrazins Äußerungen wertete er am Mittwoch in Berlin als "verantwortungslosen Unsinn". Schäuble betonte, dass "diese Art von Tabuverletzung unser Land nicht voranbringt".

(AFP/bs)
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