Konstituierende Sitzung des Bundestages Lammert hält ARD und ZDF eine Standpauke

Berlin (RPO). Der CDU-Politiker Norbert Lammert ist alter und neuer Präsident des Deutschen Bundestages. Bei der ersten Sitzung des Parlaments hielt der parteiübergreifend anerkannte Politiker gleich eine launige Rede. Prominentes Opfer: die öffentlich-rechtlichen Sender, die statt der konstituierenden Sitzung des Bundestages "Schaumküsse" und "Alisa - Folge deinem Herzen" ausstrahlten.

Besondere Momente der ersten Bundestagssitzung
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Für den 60-Jährigen stimmten am Dienstag in Berlin 522 von 617 Abgeordneten. Mit "Nein" stimmten 66 Abgeordnete, 29 enthielten sich der Stimme. Das Amt des Bundestagspräsidenten ist das zweithöchste, das die Bundesrepublik zu vergeben hat. Lammert folgt auf dem Tableau gleich hinter Bundespräsident Horst Köhler.

Es ist also nicht irgendwer, der da in der ersten Sitzung des neu gewählten Bundestags spricht. Umso gewichtiger sind die Forderungen und die Kritik, die Lammert an diesem Tag der Öffentlichkeit und den Abgeordneten um die Ohren haut. So regt er eine Verlängerung der Wahlperiode auf fünf Jahre an. Nach Einschätzung der meisten Wähler gebe es von der Kommunal- bis zur Europawahl zu viele Urnengänge in Deutschland, sagte der CDU-Politiker am Dienstag nach seiner Wiederwahl.

Scharfe Kritik übte Lammert zudem am geringen Medieninteresse an der Parlamentsarbeit. Den öffentlich-rechtlichen Sendern warf er vor, statt der konstituierenden Sitzung Seifenopern ins Programm genommen zu haben.

Die 17. Legislaturperiode wurde mit einer Rede des ehemaligen Forschungsministers Heinz Riesenhuber eröffnet. Als Alterspräsident forderte der 73-jährige CDU-Politiker die Abgeordneten zu offenen Debatten auf. Zur Arbeit im Parlament gehöre die Achtung vor jedem Kollegen und seiner Meinung.

Lammert wurde anschließend mit 84,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Damit verschlechterte er sein Ergebnis vor vier Jahren deutlich: Damals hatte er mit 93,1 Prozent der Stimmen die zweithöchste Zustimmung bei einer Bundestagspräsidentenwahl seit 1949 erhalten.

Lammert mahnt stärkeres Selbstbewusstsein des Parlaments an

Lammert nahm die Wahl an. In seiner Rede mahnte er ein stärkeres Selbstbewusstsein des Parlaments an. "Der Bundestag ist nicht Hilfsorgan, sondern Herz der politischen Willensbildung in unserem Land", sagte er. "Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung."

Der CDU-Politiker hob zudem die wichtige Rolle der Opposition in der Demokratie hervor. Die demokratische Reife eines politischen Systems sei nicht an der Existenz der Regierung zu erkennen, sondern am Vorhandensein einer Opposition und ihrer politischen Wirkungsmöglichkeiten.

"Schaumküsse" statt Bundestagssitzung

Lammert monierte zudem, dass die konstituierende Sitzung des Parlaments von ARD und ZDF nicht live übertragen wurde. In der ARD sei stattdessen die TV-Komödie "Schaumküsse" und im ZDF "Alisa - Folge deinem Herzen" zu sehen gewesen, gefolgt von "Bianca - Wege zum Glück". "Ich folge auch meinem Herzen und nenne diese Programmentscheidung ganz vorsichtig, in wörtlichem Sinne bemerkenswert", sagte Lammert.

"Mir fehlt jedes Verständnis, dass ein gebührenpflichtiges Fernsehen, das dieses üppig dotierte Privileg allein seinem besonderen Informationsauftrag verdankt, auch an einem Tag wie heute mit einer souveränen Sturheit der Unterhaltung Vorrang vor der Information gibt." Lammert erntete für diese Äußerungen langanhaltenden Beifall. Auszüge seiner Rede dokumentieren wir hier für sie im Wortlaut.

Fünf Stellvertreter Lammerts

Am Nachmittag stand im Bundestag die Wahl von Lammerts fünf Stellvertretern an. Jeder Fraktion steht einer dieser Posten zu. Zur Wahl standen Wolfgang Thierse (SPD), Gerda Hasselfeldt (CSU), Hermann Otto Solms (FDP), Petra Pau (Linke) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne).

(AP/csr)
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