Pendlerpauschale auf Karlsruher Prüfstand Kritische Fragen an die Bundesregierung

Karlsruhe (RPO). Die umstrittene Abschaffung der Pendlerpauschale steht jetzt auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts. In der mündlichen Verhandlung am Mittwoch in Karlsruhe wurde eine eindeutige Tendenz des für Ende 2008 erwarteten Urteils zwar nicht deutlich. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) musste sich allerdings kritische Fragen von der Richterbank gefallen lassen.

Fragen und Antworten zur Pendlerpauschale 2007
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Foto: Nico Hertgen

Steinbrück verteidigte die Abschaffung der Entfernungspauschale und die Einführung einer Härtefallregelung ab 2007 als ein Mittel zur Haushaltskonsolidierung.

Die Bundesregierung habe wegen des damaligen verfassungswidrigen und europarechtswidrigen Bundeshaushalts und der hohen Staatsverschuldung handeln müssen, sagte Steinbrück. Diese Begründung gelte "bis auf den heutigen Tag".

Dies schien jedoch eine in dem Verfahren maßgebliche Richterin, die Berichterstatterin Lerke Osterloh, nicht vollends zu überzeugen. Sie fragte Steinbrück, ob es außer fiskalischen Gründen - "also dem Zwang, zu sparen" - auch noch eine andere Begründung für die Abschaffung der Entfernungspauschale gebe. Darauf antwortete Steinbrück ausweichend, es gebe "übergeordnete rechtliche Gründe", präzisierte diese aber nicht weiter.

Grundsatz der Gleichbehandlung

Seit Januar 2007 können die ersten 20 Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz nicht mehr steuerlich abgesetzt werden. Lediglich Fahrtkosten ab dem 21. Entfernungskilometer können im Rahmen einer Härtefallregelung seitdem "wie Werbungskosten" mit 30 Cent pro Kilometer abgezogen werden. Der Staat erhoffte sich damit ein Einsparvolumen von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Der Zweite Senat befasste sich nun mit Normenkontrollanträgen des Bundesfinanzhofs sowie der Finanzgerichte Niedersachsens und des Saarlandes, die die Streichung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig halten.

Die Regelung sei mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Schutz von Ehe und Familie nicht vereinbar, argumentierten die Finanzgerichte. Trotz der privaten Wahl des Wohnorts seien die Fahrtaufwendungen nicht dem Privatbereich zuzuordnen, sondern "beruflich veranlasst" und gehörten deshalb zu den abzugsfähigen Aufwendungen. Die Kläger in den Ausgangverfahren müssen den Angaben zufolge zwischen 35 und 75 Kilometern täglich zur Arbeit fahren.

"Scheinargument"

Klägeranwalt Norbert Hölscheidt sprach mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung von einem "Scheinargument". Der Staat habe zwar beim Steuerrecht einen großen Gestaltungsspielraum. Im Fall der Pendlerpauschale habe er aber "grundlegende Prinzipien der Verfassung" nicht beachtet, etwa den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Steinbrück stellte jedoch in Frage, ob man es überhaupt "mit einem Verfassungsproblem zu tun" habe. Er wehrte sich gegen eine Art "Grundrecht auf eine Entfernungspauschale" oder eine "verfassungsmäßige Zementierung von steuerlichen Detailfragen". Die Mehrheit der Pendler sei zudem "niemals in den Genuss der alten Regelung gekommen". Diese Pendler seien deshalb durch die Abschaffung der Pauschale nicht betroffen. Ihre Aufwendungen seien durch den Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 Euro "abgedeckt".

Vonseiten der Bundesregierung hieß es, die Fahrtkosten von der Wohnung zur Arbeit seien "gemischt veranlasst" - also teilweise privat und teilweise beruflich. Rechtsanwalt Reiner Odenthal erklärte hingegen, das von der Regierung vertretene Werkstorprinzip sei lebensfremd.

(ap)
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