Wie der Krieg die Energiewende gefährdet Atomkonzerne lehnen Verlängerung der Laufzeiten ab

Düsseldorf · Um unabhängiger von russischem Gas zu werden, fordern CDU-Politiker die Rückkehr zur Atomkraft. Davon aber wollen Eon, RWE und EnBW nichts wissen. Auch der Kohleausstieg 2030 wird schwerer, wenn der Gasimport aus Russland sinkt.

 Das Atomkraftwerk Emsland gehört RWE (Archivbild).

Das Atomkraftwerk Emsland gehört RWE (Archivbild).

Foto: dpa/Ingo Wagner

Wenigstens für Verbraucher gab es eine gute Nachricht: Russland will weiter Gas durch die Pipelines pumpen. „Gazprom liefert russisches Gas für den Transit durch das Gebiet der Ukraine im regulären Modus und gemäß den Anforderungen europäischer Verbraucher“, erklärte ein Gazprom-Sprecher. Doch die schmerzhafte Abhängigkeit bleibt: 55 Prozent der deutschen Gasimporte kommen aus Russland. Wer das ändern will, stellt auch die Energiewende in Frage.

Bekommt die Atomkraft eine neue Chance? Die meisten Meiler in Deutschland sind bereits abgeschaltet, Ende des Jahres sollen die letzten drei vom Netz: Isar 2 (Eon), Emsland (RWE), Neckarwestheim 2 (EnBW). Nun fordern Unions-Politiker, der alten Technologie eine neue Chance zu geben. „Wenn man die Abhängigkeit von russischen Gasimporten nicht noch weiter erhöhen will, wäre es sinnvoll, die letzten drei Atomkraftwerke Ende des Jahres nicht abzuschalten“, sagte der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) der „Stuttgarter Zeitung“. CDU-Chef Friedrich Merz hatten unlängst gemahnt: Man müsse „vorurteilsfrei“ über neue Nutzungsmöglichkeiten der Kernenergie sprechen.

Was sagen Experten? „Sicherlich wäre eine Verlängerung der Laufzeit der verbliebenen Atomkraftwerke ökonomisch und klimapolitisch sinnvoll“, sagte Manuel Frondel, Energieexperte des RWI Leibniz-Institutes in Essen. Allerdings hätten nicht mal die Betreiber ein Interesse daran. „Diese dürften mit den Entschädigungszahlungen weitgehend zufrieden sein. Insbesondere auch die Rückabwicklung des Ausstiegs dürfte rechtlich kompliziert sein“, so Frondel. Er hält einen Neustart mit Mini-Atomkraftwerken, auf die andere Länder setzen, für unrealistisch. „Aufgrund der sehr hohen Investitionskosten für neue Atomkraftwerke, siehe das Beispiel Großbritannien, ist eine Renaissance der Atomkraft in Deutschland auch mittelfristig kaum vorstellbar.“

Was sagen die Konzerne? Sie winken dankend ab. „Das Thema Kernkraft ist in Deutschland vom Tisch“, sagte RWE-Chef Markus Krebber zuletzt unserer Redaktion. „Nach zähem Ringen haben wir einen Kompromiss gefunden, den will keiner mehr aufschnüren.“ Kurzfristig sei es gar nicht möglich, die Kernkraftwerke wieder hochzufahren. Außerdem sei es ökonomisch nicht sinnvoll, wenn man dies mit einem System aus grünem Strom und grünem Gas vergleiche. Auch für Eon ist der Fall erledigt: „Ein Weiterbetrieb unseres Kernkraftwerks Isar 2 über den gesetzlichen Endtermin 2022 hinaus ist für uns kein Thema. Dabei bleibt es“, sagte der Eon-Sprecher. Kurz vor der Abschaltung eine Debatte darüber zu starten, sei befremdlich. Allerdings sei offensichtlich, dass andere Staaten an der Kernenergie als CO2-armer Energiequelle festhalten. „Natürlich werden also insbesondere die Franzosen weiter Strom aus Kernenergie in den europäischen Energieverbund einspeisen.“ Auch für EnBW stellt sich die Frage nicht mehr: Der Block in Neckarwestheim werde am 31. Dezember endgültig abgeschaltet. „Der Ausstieg aus der Kernenergie ist im Jahr 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden, die Nutzung der Kernenergie für die Stromproduktion hat sich damit in Deutschland erledigt“, so der EnBW-Sprecher.

Wird jetzt der Kohleausstieg verschoben? Die Ampel-Koalition will den Ausstieg von 2038 auf 2030 vorziehen. Damit fällt ein großer Energieträger weg. Aktuell trägt die Kohle rund ein Drittel zur deutschen Stromerzeugung, ihr Anteil an der Primärenergie, die für Strom, Wärme, Mobilität genutzt wird, beträgt 20 Prozent. Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach verweist auf Studien, wonach bis 2030 der Bau von 60 neuen Gaskraftwerken nötig werde, um die Stromversorgung zu gewährleisten, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) warnt schon mal vorsorglich vor einer Verschiebung des Ausstiegs: „Kohle oder Atom sind keine Alternativen zu russischem Erdgas.“ BEE-Chefin Simone Peter mahnte: „Aus strategischen und klimapolitischen Gründen müssen wir dringend unabhängiger von Energieimporten werden und dafür alle Optionen im eigenen Land nutzen.“ Man müsse den Turbo bei den Erneuerbaren Energien und Speichern einlegen. Das Problem: Immer wieder werden Windparks von Anwohnern oder Naturschützern blockiert. Wenn die Ampel nun die Genehmigungsverfahren straffen will, sind Konflikte programmiert.

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