Parteitag der Grünen in Hamburg Kretschmann will für realistische Asylpolitik werben

Hamburg · Die Strategie- und Richtungsdebatte bei den Grünen setzt sich am Nachmittag des zweiten Tags des Bundesparteitags in Hamburg fort - doch diesmal geht es nicht mehr um abstrakte Freiheitsbegriffe und generelle Richtungsbestimmungen, sondern um die konkrete Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland. Im Zentrum dieser Debatte steht einmal mehr Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

 Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann, auf dem Parteitag in Hamburg.

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann, auf dem Parteitag in Hamburg.

Foto: dpa, jbu lof

Der baden-württembergische Regierungschef will vor den rund 800 Delegierten begründen, warum er vor zwei Monaten dem Asylkompromiss von Bund und Ländern im Bundesrat zugestimmt hat. Diese Entscheidung ist bis heute bei den Grünen höchst umstritten. Kretschmann machte damit den Weg dafür frei, dass Deutschland Asylbewerber aus den so genannten sicheren Drittstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien schneller und leichter wieder nach Hause schicken kann. Die schwarz-rote Koalition und die Ländermehrheit erhofften sich davon Erleichterungen bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms. Betroffen von der Neuregelung werden vor allem auch viele Sinti und Roma sein, die nach Deutschland einreisen.

Im Gegenzug handelte Kretschmann aus, dass Asylbewerber sehr viel schneller Arbeit in Deutschland aufnehmen können, schneller an Sozialleistungen kommen und sich freier In Deutschland bewegen können. Kretschmann, der für eine pragmatische, realpolitische und wirtschaftsfreundliche Politik der Grünen steht, wird seine Haltung am Samstag gegen 15 Uhr verteidigen. Seine überwiegend dem linken Parteiflügel zuzurechnenden Kritiker haben mehrere Anträge eingereicht, in denen sie Kretschmanns Asylpolitik angreifen. Die grüne Jugend etwa stellt einen Antrag, in dem jene sechs Landesverbände der Grünen gelobt werden sollen, die in ihren Bundesländern mitregieren und die dem Asylkompromiss von Bund und Ländern nicht zugestimmt hatten.

Nach dem Willen der Grünen-Führung in Berlin soll Kretschmann, der bislang einzige grüne Regierungschef eines Bundeslandes, auf dem Parteitag nicht beschädigt werden. Im Leitantrag des Bundesvorstands zur Asylpolitik, der am Nachmittag zur Abstimmung steht, wird Kretschmann deshalb auch nicht offen kritisiert.

Dort heißt es: "Bei der Abstimmung im Bundesrat war die Regelung zu den sicheren Herkunftsstaaten Teil eines Gesamtpaketes, das auch reale Verbesserungen für Flüchtlinge in unserem Land enthielt." Auf Druck der Grünen seien der Bundesregierung Zugeständnisse insbesondere beim Arbeitsmarktzugang und bei der Residenzpflicht der Flüchtlinge "abgerungen" worden. Sie gingen in die richtige Richtung, reichten den Grünen aber nicht aus, so der Leitantrag. Die Lockerung der Residenzpflicht müsse zu deren vollständiger Abschaffung werden, der leichtere Arbeitsmarktzugang zu einer vollständigen Arbeitserlaubnis. Ein Antrag, mit dem sowohl Kretschmann als auch die Parteilinken leben können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort