Schweinegrippe Krankenkassen sorgen für Empörung

Berlin/Hannover (RPO). Die Drohung der gesetzlichen Krankenkassen, wegen der Impfungen zur Schweinegrippe die Beiträge zu erhöhen, haben heftige Kritik ausgelöst. Die öffentliche Empörung zeigt offenbar Wirkung: Erste Krankenkassen rücken bereits von den für den Herbst angedrohten Beitragserhöhungen ab. Ein Arzt und SPD-Bundestagsabgeordneter hält die Angst vor der Pandemie sogar für eine Inszenierung, die nur der Pharmaindustrie nutze.

Schweinegrippe: So sorgen die Konzerne vor
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Der Impfkosten in Höhe von 500 Millionen Euro könnten problemlos aus den normalen Einnahmen finanziert werden, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er bezeichnete Beitragserhöhungen zur Finanzierung der Impfungen in der "Passauer Neuen Presse" als undenkbar. "Diese Hoffnung der Kassen ist unrealistisch." Die Kosten lägen bei weniger als einem halben Prozentpunkt der bisherigen Ausgaben. Zudem gebe es in diesem Jahr einen staatlichen Schutzschirm gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise. "Das heißt konkret, dass Beitragsausfälle, die in der zweiten Jahreshälfte zu erwarten sind, aus staatlichen Mitteln ausgeglichen werden", sagte Lauterbach.

Die SPD-Gesundheitsexpertin Mechthild Rawert sagte der "Bild"-Zeitung, die Kassen sollten ihren Überschuss verwenden, anstatt über Beitragserhöhungen zu reden. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Terpe sprach von einem Vorwand der Kassen, diese suchten "schlicht einen Grund, um die Beitragssenkung zum Juli wieder auszugleichen".

SPD-Mediziner: Angst vor Schweinegrippe ist Inszenierung

Der SPD-Politiker und Mediziner Wolfgang Wodarg hält die Angst vor einer Schweinegrippe-Pandemie für eine Inszenierung. "Das ist ein Riesengeschäft für die Pharmaindustrie", sagte der Lungenfacharzt, der für die SPD im Bundestag sitzt, der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Die Schweinegrippe unterscheide sich nicht von den üblichen Grippewellen. "Im Gegenteil: Wenn sie die Zahl der Fälle sehen, ist das lächerlich verglichen mit anderen Grippezügen."

Die Pharmaindustrie habe ihre Interessen erfolgreich in der Politik durchgesetzt, sagte Wodarg. Bisher hätten die Hersteller von Grippe-Impfstoff nie gewusst, wie viel Abnehmer sie dafür im Herbst hätten. "Neu ist nun, dass die Bundesregierung der Pharmaindustrie eine Verkaufsgarantie gibt." Auch die Krankenkassen, die mit Beitragserhöhungen wegen der geplanten Massenimpfung drohen, versuchten nun, von der Pandemie-Angst zu profitieren: "Sie versuchen, Geld für sich rauszuschlagen", sagte Wodarg.

Der Mediziner hat zudem schwere Bedenken gegen den von der Firma Novartis entwickelten Impfstoff, der bereits in Deutschland getestet wird. Das sei "mit sehr heißer Nadel zugelassen", sagte Wodarg. Der Nährboden des Impfstoffs von Novartis seien Krebszellen tierischer Herkunft. Man wisse nicht, ob es dabei ein Allergierisiko gebe. "Und viel wichtiger: Einige befürchten, dass bei geringen Verunreinigungen aus diesen hochpotenten Krebszellen ein Krebsrisiko für die Geimpften besteht. Das kann man aber erst nach vielen Jahren und vielen Testpersonen auswerten. Das ist also ein Massenversuch", sagte Wodarg.

Gesundheitsökomom empfiehlt Mischfinanzierung

Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem erwartet dagegen, dass viele Kassen bald Zusatzbeiträge erheben müssen, auch ohne Grippekosten. "Wenn nun die Kosten für die Grippeimpfung allein von den Kassen getragen werden, wird auf etwa die Hälfte aller gesetzlich Versicherten ein Zusatzbeitrag zukommen", sagte Wasem der "Thüringer Allgemeinen". Dabei sei die Finanzausstattung der Kassen sehr unterschiedlich, gut aufgestellte Unternehmen könnten die Kosten auch ohne Zusatzbeitrag bewältigen. Wasem sprach sich für eine Mischfinanzierung der Schweinegrippenimpfung aus Kassen- und Steuermitteln aus.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte eindringlich vor Beitragserhöhungen. Diese seien Gift für Arbeitsplätze - "erst recht in Zeiten wirtschaftlicher Krise", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks der "Passauer Neuen Presse". Zudem könne es nicht sein, dass für eine einmalige Impfaktion dauerhaft die Beiträge steigen sollten.

Erste Krankenkassen rücken von Forderung ab

Unterdessen rücken erste Krankenkassen von der Forderung nach Beitragserhöhungen ab. Eine Sprecherin der KKH-Allianz sagte, eine Beitragsanhebung für KKH-Versicherte sei zum jetzigen Zeitpunkt auch für den Fall ausgeschlossen, dass die Kassen die Impfkosten komplett aus eigener Tasche selbst bezahlen müssten. Ein Sprecher der Gmünder Ersatzkasse erklärte ebenfalls, eine Beitragserhöhung sei bis Jahresende ausgeschlossen.

(AP/DDP/sdr)
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