Ambulante Pflege Kosten für Tagespflege steigen stark

Berlin · Es war erklärtes politisches Ziel, dass mehr Menschen von mehr Pflegeleistungen profitieren sollen. Beim starken Anstieg der Tagespflege aber könnte auch Missbrauch vorliegen.

 Eine Pflegekraft geht in einem Pflegeheim mit einer alten Dame über den Flur (Symbolbild).

Eine Pflegekraft geht in einem Pflegeheim mit einer alten Dame über den Flur (Symbolbild).

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Wenn pflegende Angehörige mal eine Pause brauchen, in den Urlaub fahren möchten oder auch erkrankt sind, können sie auf eine von den Pflegekassen finanzierte Tages- und Nachtpflege zurückgreifen. Die Pflegebedürftigen werden in teilstationären Einrichtungen betreut und versorgt.

Die Inanspruchnahme dieser Leistungen ist in den vergangenen Jahren erheblich angestiegen. Nach Angaben des AOK-Bundesverbandes unter Berufung auf die amtliche Pflegestatistik haben sich die Ausgaben für die Tages- und Nachtpflege von 314 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 676 Millionen Euro im Jahr 2017 mehr als verdoppelt. Der Trend geht ungebrochen nach oben.

 Grundsätzlich war es Ziel der Politik, mit einer Ausweitung des Angebots den Angehörigen die Pflege zu Hause zu erleichtern. Das entspricht insbesondere den Wünschen der Pflegebedürftigen. 83 Prozent der Menschen wollen zu Hause gepflegt werden, wie eine gerade erst veröffentlichte Umfrage der Techniker Kasse zeigt. Grundsätzlich hat die Pflege in den eigenen vier Wänden auch den Vorteil, dass sie günstiger ist als ein Heimaufenthalt.

So begrüßen auch die Kassen den Aufwuchs bei der Tages- und Nachtpflege. Schließlich gilt das Angebot als eine wichtige Säule, um Pflegebedürftige dauerhaft zu Hause leben zu lassen. „Wir finden das gut, denn auf diese Weise kann die ambulante Pflege individueller sichergestellt werden“, sagte der Chef der Barmer/GEK, Christoph Straub. Auch der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, verweist auf die politische Absicht, dass möglichst viele Menschen zu Hause versorgt werden können. So gab es mit Beginn des Jahres 2015 eine entscheidende Änderung: Seitdem kann die Tagespflege neben anderen ambulanten Pflegeleistungen in vollem Umfang in Anspruch genommen werden. Seit 2017 ist zudem der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet worden.

Litsch betonte, die steigenden Ausgaben für Tagespflege seien der Ausdruck dafür, dass die Leistungserbringer auch die entsprechenden Angebote entwickelt hätten und die Menschen sie annähmen. „Alles in allem also eine gute Botschaft.“

Der AOK-Chef fürchtet aber auch Missbrauch: „Leider beobachten wir, dass sich immer mehr Versorgungsformen entwickeln, die diese politische Absicht unterlaufen und unter dem Deckmantel der ambulanten Versorgung Leistungen anbieten, die denen einer vollstationären Versorgung entsprechen.“ Litsch bemängelt an diesen Modellen, dass sie dann aber nicht die Pflichten stationärer Einrichtungen erfüllten, wie beispielsweise „bei der Qualitätssicherung, beim Brandschutz oder bei der Hygiene“.

Durch eine Kombination verschiedener ambulanter Pflegeangebote können geschickte Anbieter mehr Einnahmen erzielen, als wenn sie ein Heim betreiben. Dem will die AOK gerne einen Riegel vorschieben. „Das Pflegeversicherungsrecht sollte sich dahingehend verändern, dass zukünftig für gleiche Versorgungsrealitäten auch gleiche Qualitätsstandards und Leistungsansprüche gelten“, fordert Litsch.

Den Trend, dass der Anteil der Tagespflege stärker steigt als die Pflegekosten insgesamt, nehmen alle großen Kassen wahr. Die Ausgaben für die Tagespflege seien 2017 um 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, heißt es von der Techniker Kasse. Für 2018 erwartet die Kasse einen erneuten Aufwuchs von rund 20 Prozent.

Die Kosten für die Pflege steigen derzeit rapide an. Die zahlreichen neu geschaffenen Leistungen werden deutlich stärker in Anspruch genommen als erwartet. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung bereits in Aussicht gestellt. Er soll mit Beginn des kommenden Jahres um 0,5 Prozentpunkte steigen. Derzeit liegt der Beitrag bei 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens, bei Kinderlosen bei 2,8 Prozent. Mit dem höheren Beitragssatz sollen die steigenden Ausgaben aufgrund der letzten Pflegereform und zusätzliche Pflegekräfte finanziert werden.

Die Kosten für die Pflege werden auch in Zukunft steigen. Heute leben rund drei Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Mit einer wachsenden Zahl hochaltriger Bürger wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen weiter zunehmen.

(qua)
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