Wegen Krankenhausreform Kliniken und Kassen verschärfen Kritik an Lauterbach

Berlin · Der Bundesgesundheitsminister will grundlegende Reformen der Krankenhausfinanzierung anstoßen und Patienten mehr ambulante Behandlungen ermöglichen. In den Zielen sind sich die meisten Akteure mit ihm einig, Lauterbachs Vorgehen auf dem Weg dorthin sorgt jedoch für immer größeren Unmut. Denn der Teufel steckt in den Details der Umsetzung seiner Reformpläne.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit. (Archiv)

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit. (Archiv)

Foto: dpa/Carsten Koall

Karl Lauterbachs Pläne sollen nicht weniger als die größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre in Gang setzen. Doch bei denen, die die Veränderungen betreffen werden, stößt das Vorgehen des Bundesgesundheitsministers zunehmend auf Kritik. Insbesondere die Pläne für weniger Krankenhausübernachtungen von Patienten sorgen für Unmut. „Wir teilen den Befund, dass wir in Deutschland zu viele Leistungen vollstationär statt ambulant erbracht werden“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. „Die vorgelegten Vorschläge werden das Ziel einer stärkeren Ambulantisierung aber nicht erreichen, im Gegenteil: Bisher vorgesehene Maßnahmen wie die erhebliche Erweiterung des Katalogs ambulant durchführbarer Operationen (AOP) werden konterkariert.“

Hintergrund ist, dass Lauterbach durch eine reformierte Vergütung ambulanter Operationen dazu beitragen will, unnötige Krankenhausaufenthalte zu reduzieren. „Wir wollen Patientinnen und Patienten die Klinikaufenthalte ersparen und gleichzeitig das Personal dort entlasten. Dafür stellen wir das System so um, dass sich eine unnötige Krankenhaus-Aufnahme bei einfachen Eingriffen künftig nicht mehr lohnt“, sagte Lauterbach vor wenigen Tagen mit Blick auf die geplante Krankenhausreform. Der Anteil vollstationärer Behandlungen sei in Deutschland im internationalen Vergleich immer noch viel zu hoch, erläuterte der Minister. Am vergangenen Mittwoch hatte sich der Gesundheitsausschuss in einer öffentlichen Anhörung mit dem sogenannten Krankenhauspflegeentlastungsgesetz des Ministers beschäftigt. Dafür hatte es mehrere Änderungsanträge auch der Koalitionsfraktionen gegeben.

Stoff-Ahnis vom GKV-Spitzenverband sieht in den Plänen jedoch mehrere Probleme. „ Die neuen Regelungen zementieren die bisherigen Strukturen der stationären Versorgung statt einen notwendigen Strukturwandel einzuleiten. Ohne klar definiertes Leistungsspektrum für die neuen tagesstationären Behandlungen besteht die Gefahr, dass Patientinnen und Patienten zukünftig je nach Kalkül der Geschäftsführung über Nacht nach Hause geschickt werden“, sagte sie. „Verbunden mit den eingeschränkten Prüfrechten des Medizinischen Dienstes kann hier die Versorgungsqualität leiden.“ Dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ werde man viel eher gerecht, wenn Patientinnen und Patienten gar nicht erst ins Krankenhaus auf Station geleitet würden, sondern stattdessen in bedarfsgerechten ambulanten Strukturen versorgt würden, sagte sie.

Auch bei den Krankenhäusern ist man unzufrieden. Gerald Gaß ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Er sieht das Vorgehen des Ministeriums im Gesetzgebungsprozess kritisch. „Hinsichtlich der tagesklinischen Behandlung waren wir bei den Empfehlungen der Regierungskommission sehr positiv gestimmt“, sagte er. „Jetzt aber ist sowohl das Verfahren als auch die Ausrichtung nicht mehr nachvollziehbar.“ Das Thema sei viel zu wichtig, als dass es übers Knie gebrochen werden sollte. „Mit dem kurzfristig eingebrachten Änderungsantrag, den man gar nicht bis zur Anhörung adäquat bewerten kann, soll sogar ein neues Vergütungsinstrument eingeführt werden“, sagte Gaß. „Wir sind sehr dafür, dass die ambulanten Potenziale der Krankenhäuser genutzt werden. Aber wir sind auch für eine strukturierte Gesetzgebung, die klare und dann auch verlässliche Rahmenbedingungen schafft.“

02.11.2022, Berlin: Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, bei der Vorstellung der Corona-Kita-Studie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche. Foto: Carsten Koall/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

02.11.2022, Berlin: Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, bei der Vorstellung der Corona-Kita-Studie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche. Foto: Carsten Koall/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Carsten Koall

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Andreas Schwartze (SPD) betonte die Bedeutung der Einzelfallentscheidungen. „Mit Blick auf das Ziel, bislang noch stationär erbrachte Behandlungen als Tagesbehandlung im Krankenhaus umzusetzen, geht in der aktuellen Debatte meines Erachtens etwas unter, dass die Regierungskommission, auf deren Empfehlung der Vorschlag zurückgeht, zahlreiche Bedingungen an die Tagesbehandlungen geknüpft hat und es keineswegs darum geht, Patientinnen und Patienten möglichst schnell nach Hause zu schicken.“ Die Frage, ob eine Tagesbehandlung möglich ist, müsse beispielsweise nach medizinischen und pflegerischen Kriterien in jedem Einzelfall entschieden werden. „Die Entscheidung zu einer Tagesbehandlung soll dabei im Einvernehmen unter Berücksichtigung der häuslichen Versorgungssituation mit den Patienten getroffen werden“, sagte Schwartze. Es sei auch ausdrücklich vorgesehen, dass Tagesbehandlungen für große, komplexe oder risikoreiche Behandlungen von vorneherein nicht in Betracht kommen. „Wenn unter diesen Voraussetzungen sichergestellt werden kann, dass die Patientensicherheit und die Behandlungsqualität auf gleichbleibenden Niveau gewährleistet sind, eine Tagesbehandlung nur in medizinisch vertretbaren Fällen durchgeführt wird und diese Entscheidungen mit den Patienten gemeinsam getroffen werden, halte ich den Vorschlag für sinnvoll“, sagte Schwartze.

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