CDU Nerven verloren

Berlin · Die CDU-Vorsitzende kündigt ihren Rückzug von der Parteispitze und den Verzicht auf die Kanzlerkandidatur an. Die Saarländerin konnte ihre Stärken im Bund nicht ausspielen. Statt beherzt und befreit agierte sie verkrampft und verunsichert. Damit lässt sich die große Volkspartei nicht führen.

 Annegret Kramp-Karrenbauer

Annegret Kramp-Karrenbauer

Foto: AP/Markus Schreiber

Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Nerven verloren. In einer Phase der Schwäche ihrer CDU, in der es ganz besonders darauf angekommen wäre, Führung und Stärke zu zeigen. Die AfD und ihr Thüringer völkisch-nationaler Frontmann Björn Höcke werden sich das jetzt als Erfolg auf ihre rechte Fahne schreiben. Im Zuge der missglückten Bildung einer Landesregierung in einem ostdeutschen Bundesland hat die Vorsitzende der großen deutschen Volkspartei CDU ihren Rückzug angekündigt. Wenn auch in geordneten Bahnen und gut vorbereitet mit der zeitgleichen Klärung der Kanzlerkandidatur. Diesen Dienst erweist die Saarländerin der Bundespartei noch. Ob das aber wirklich bis zum Sommer dauert und nicht schon viel früher passiert, weil die Fliehkräfte jetzt wirken, ist noch die große Frage. Auch, ob die große Koalition dieses Beben überhaupt überlebt.

Kramp-Karrenbauer war als CDU-Generalsekretärin vielversprechend gestartet. Sie hatte der Partei eine neue Zuversicht und neue Ideen gegeben. Sie war selbstbewusst und transparent, sie hat Krisen benannt und gelöst. Diesen Schwung konnte sie nur nicht in das Amt der Parteivorsitzenden retten. Nach ersten Fehlern als Nachfolgerin von Angela Merkel an der Spitze der Union, sei es der missglückte Karnevalswitz über das dritte Geschlecht oder die kleinkarierte Reaktion auf die neue Klimaschutzbewegung Fridays for Future oder ihr anfängliches Hadern mit den eigenen Gesetzen der sozialen Medien, wurde die 57-Jährige immer verunsicherter. Und die großen Themen und Probleme kamen erst noch. Allen voran der Umgang mit der AfD und der Autoritätsverlust als Parteichefin.

Ihr befreites und als saarländische Ministerpräsidentin so beherztes Auftreten war verschwunden. Dass sie im Bund an ihre Beliebtheitswerte im Land nicht annähernd anknüpfen konnte, hat auch damit zu tun: Kramp-Karrenbauer flogen keine Sympathien mehr zu. Sie wirkte verkrampft und verbissen, wie sie es im Saarland nie war. Ihr entscheidender Fehler war aber die auf dem CDU-Bundesparteitag im vorigen November völlig unnötig gestellte Vertrauensfrage. Es stand keine Vorstandswahl an, kein ernst zu nehmender CDU-Politiker hatte Kramp-Karrenbauer herausgefordert. Es gab Sticheleien, Gemeinheiten, Konkurrenz, Widerstand. Das alles hätte sie aber auch ohne Vertrauensfrage überstanden. Mit der erzwungenen Vergewisserung ihres Vorsitzes, die sich dann ja nur in den Minuten des Beifalls für ihre Rede ablesen ließ, hatte sich Kramp-Karrenbauer ihres schärfsten Schwertes für den Fall der Fälle beraubt. Deshalb konnte sie jetzt auch nicht wie FDP-Chef Christian Lindner die Vertrauensfrage stellen. Das macht man nur einmal.

Die CDU wird nun um der Stabilität willen schnell Klarheit schaffen müssen, wer das Heft des Handels unter Angela Merkel als Kanzlerin in die Hand nimmt. Gemessen an ihren 18 Jahren Parteivorsitz und bald 15 Jahren als Bundeskanzlerin müssen die Christdemokraten einen Kandidaten oder eine Kandidatin suchen, der oder die zumindest in einer Hinsicht wie Merkel ist: gnadenlos belastbar.

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