Berliner Bezirksvertretung Abgelehnte Corona-Hilfe macht Ministerin fassungslos

Berlin · Der grün-rot-rot regierte Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg lehnt eine Amtshilfe trotz stark gestiegener Infektionszahlen ab. Die CDU warnt vor Gesundheitsgefährdung aus ideologischen Gründen.

 Soldaten des Wachbataillons bei der Infektionsketten-Verfolgung im Gesundheitsamt Berlin-Mitte (Archivbild von Anfang Juni).

Soldaten des Wachbataillons bei der Infektionsketten-Verfolgung im Gesundheitsamt Berlin-Mitte (Archivbild von Anfang Juni).

Foto: dpa/Carsten Koall

Die Berliner Corona-Ampel ist wegen der vermehrten Infektionen zwar auf „Rot“ gesetzt worden, doch der besonders betroffene Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg lehnt Amtshilfe durch Bundeswehrsoldaten bei der Zurückverfolgung von Infektionsketten ab. Sie hätten viele zivile Mitarbeiter eingestellt und verfügten nun über 71 Beschäftigte allein für diesen Zweck, berichtete eine Sprecherin der Grün-Rot-Rot regierten Bezirksverwaltung. „Die Nachverfolgung funktioniert“, versicherte sie. Doch alle anderen elf Bezirke Berlins nehmen angesichts der sich zuspitzenden Lage gerne die Hilfe von 180 Soldaten in Anspruch, die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) für die Corona-Bekämpfung in der Hauptstadt abgestellt hat.

Die Ministerin zeigte sich fassungslos über die Weigerung des Bezirks. Ihr fehle jedes Verständnis dafür, dass die Verantwortlichen es eher riskierten, Infektionsketten nicht nachverfolgen oder eindämmen zu können, als sich von der Bundeswehr helfen zu lassen. Wer eine solche Entscheidung treffe, der müsse dann auch verantworten, „wenn Patienten nicht mehr behandelt werden können, weil etwa Beatmungsplätze in Krankenhäusern fehlen, wenn deshalb Kinder nicht in die Schulen gehen können und ihre Eltern möglicherweise den Arbeitsplatz verlieren“, warnte Kramp-Karrenbauer.

Für die Sitzung der Bezirksvertretung am Donnerstagabend brachten die vier CDU-Vertreter und die zehn SPD-Vertreter Anträge ein, um die Bundeswehr-Unterstützung doch noch möglich zu machen. Zunächst müssen die Kommunalpolitiker jedoch mit Mehrheit entscheiden, ob sie das Anliegen als dringlich ansehen. Grüne und Linke verfügen über 32 der 55 Mandate. Die mit den Maßnahmen zur Eindämmung befassten Verwaltungseinheiten arbeiteten „seit Monaten am Limit ihrer Kapazitäten“, unterstrich die SPD des Bezirks. Sie verwies darauf, dass die Zahlen der Neuinfektionen in Berlin und insbesondere im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg „stark angestiegen“ seien. Die CDU appellierte: „Das Bezirksamt darf die Gesundheit der Menschen im Bezirk nicht wegen seiner linksgrünen Ideologie gefährden.“ Die Gesundheitsämter benötigten Unterstützung, da ansonsten Arbeitsüberlastung drohe.

Kurz vor Pfingsten hatte eine Mehrheit aus den 20 Grünen- und zwölf Linken-Bezirksvertretern die Hilfe der Bundeswehr als „Militarisierung“ abgelehnt. Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und ihr linker Stellvertreter Knut Mildner-Spindler hatten zwar die Unterstützung durch fünf Soldatinnen und Soldaten vorbereitet, sie dann aber nach einer Tasse Kaffee wieder wegschicken müssen. Sie unterstützten sehr zur Freude des Bezirks Mitte dann zusätzlich die dortigen Bemühungen, die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Wie das Bundeswehr-Kommando Territoriale Aufgaben auf Anfrage mitteilte, sind aktuell 876 Soldaten bundesweit in der Corona-Amtshilfe eingesetzt, davon 79 in Nordrhein-Westfalen und 180 in Berlin. Beteiligt ist die Bundeswehr in NRW unter anderem an Corona-Projekten in Aachen, Düsseldorf, Köln, Wesel, Gummersbach und Remscheid. In Hessen helfen Soldatinnen und Soldaten derzeit vor allem in Wiesbaden und Gießen, in Rheinland-Pfalz unter anderem in Koblenz, Kaiserslautern, Cochem, Daun, Ahrweiler und Neuwied.

Grünen-Politiker auf Bundesebene taten sich schwer, das Vorgehen ihrer Parteifreunde in Berlin zu kommentieren. Bundeswehr-Experte Tobias Lindner hatte jedoch seine Rede zum Verteidigungsetat mit der Feststellung eingeleitet, es sei „richtig, den Soldatinnen und Soldaten, die in der Bekämpfung dieser Krise Amtshilfe leisten, nicht nur Anerkennung zu zollen, sondern auch herzlichen Dank zu sagen“. Dafür hatte er Beifall von der eigenen Fraktion, der Union, der SPD und der FDP erhalten. Nicht von der Linken.

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