Kommentar zu Annegret Kramp-Karrenbauer Auf konservativem Kurs

Berlin · Die Union rückt dahin, wo Angela Merkel sie eigentlich nicht haben wollte. Und das mit ihrer Favoritin für den CDU-Vorsitz.

 Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer

Foto: dpa/Michael Kappeler

Mit Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende ist die Union in kürzester Zeit weit mehr ins konservative Lager gerückt als die meisten Delegierten bei der Entscheidung über die Nachfolge von Angela Merkel im Dezember beim Parteitag in Hamburg auch nur geahnt haben. Die Enttäuschung bei den rund 49 Prozent, die Friedrich Merz gewählt hatten, ist bei etlichen seiner Anhänger schon jetzt gewichen.

Die Saarländerin hat alle wichtigen konservativen und wirtschaftsliberalen Gruppierungen der Union bereits bedient: Den Parlamentskreis Mittelstand, der nach ihrem Auftritt beim Neujahrsempfang im Januar von „neuer Freundschaft“ sprach, die CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, die Kramp-Karrenbauer eine ordentliche Arbeit bescheinigt, nicht zuletzt auch die Arbeitgeberverbände, die der Saarländerin Bestnoten schon erteilten.

Bleibt noch die Einbindung von Merz in die aktuelle Politik. Er hat sich schon bereit erklärt, stellvertretender Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates zu werden, auch in den Wahlkämpfen in Sachsen und Thüringen wird er bei Veranstaltungen auftreten, und als Bundesminister empfiehlt er sich sowieso. Unter Kramp-Karrenbauer. Natürlich nicht unter Merkel.

Kramp-Karrenbauer hat einmal gesagt, von ihr werde es niemals eine Botschaft zur Loslösung der Partei von Merkel geben, wie es Merkel einst mit Helmut Kohl gemacht hat. Und dennoch machen sich viele in der Union Gedanken und Sorgen, wie sie möglichst sicher Kanzlerin werden kann, um den Machterhalt der Union zu sichern. So wird in der Union nicht ausgeschlossen, dass es ohne eine Neuwahl zu einer Jamaika-Koalition kommen kann. Merkel müsste gehen.

Die Rechnung könnte aber womöglich schon deshalb nicht aufgehen, weil Kramp-Karrenbauer mit ihrer Positionierung der Union ein Stück weiter rechts von der Mitte jene verprellt, die im Merkel-Lager verhaftet sind. Da kann Kramp-Karrenbauer ob der Kritik an ihrem Karnevals-Kalauer über Toiletten für Intersexuelle noch drei Mal die Deutschen als das „verkrampfteste Volk auf der Welt“ bezeichnen – es gibt Christdemokraten, die inzwischen irritiert sind. Denn sie merken, dass Kramp-Karrenbauer diese harte Linie fährt, weil sie Beifall von den Konservativen bekommt und diesen Schwung so kurz vor den wichtigen Wahlen in diesem Jahr nicht bremsen will.

In Ostdeutschland steht für die CDU auch viel auf dem Spiel, wenn die AfD an ihr vorbei zieht und eine Regierungsbildung ohne die Rechten schwierig wird. Dennoch sollte Kramp-Karrenbauer eine Zahl in ihrer 100-Tage-Bilanz zu denken geben: Ihre Beliebtheitswerte in der Bevölkerung sind deutlich gesunken.

(kd)
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