Klage gegen Drogeriemarkt Kopftuchverbot wird Europäischem Gerichtshof vorgelegt

Erfurt · Die Drogeriemarktkette Müller hatte in Nürnberg einer Mitarbeiterin verboten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen. Diese verklagte das Unternehmen. Jetzt könnte die Sache zum Präzendenzfall für die Rechte von Arbeitnehmern werden.

 Eine Frau mit Kopftuch betritt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Eine Frau mit Kopftuch betritt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Foto: dpa/Martin Schutt

Das Bundesarbeitsgericht will im Streit um Kopftuchverbote in deutschen Unternehmen für mehr Rechtssicherheit sorgen. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter beschlossen am Mittwoch in Erfurt, den Fall einer Muslimin, die gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hat, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Damit wird der Fall aus Bayern zum Präzedenzfall dafür, ob Unternehmen im Interesse ihrer Neutralität gegenüber Kunden in Grundrechte von Arbeitnehmern eingreifen können.

Die 35 Jahre alte Klägerin, die in einer Müller-Filiale im Raum Nürnberg angestellt ist, erschien vor dem Bundesarbeitsgericht mit einem seidenen Kopftuch. Ihr Anwalt Georg Sendelbeck sagte in der Verhandlung: "Ein Kopftuch und die dahinterstehende Religion kann nicht einfach an der Garderobe abgegeben werden. Auch nicht im Betrieb."

Zugespitzt könnte man sagen, es stehe bei dem Fall unternehmerische Freiheit gegen Religionsfreiheit, sagte die Vorsitzende Richterin Inken Gallner. Konkret gehe es darum, ob private Arbeitgeber ihren Angestellten per allgemeiner Anweisung untersagen können, am Arbeitsplatz großflächige Symbole religiöser, politischer oder sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen zu tragen. Damit verbunden seien Fragen zur Auslegung von Europarecht und dem Verhältnis zum deutschen Verfassungsrecht.

Hintergrund für den Verweis des Falls an den Europäischen Gerichtshof sind zwei Urteile aus dem Jahr 2017 zu Klagen muslimischer Frauen aus Belgien und Frankreich. Die Richter in Luxemburg erlaubten in diesen Fällen Kopftuchverbote im Job. Das gelte aber nur, wenn weltanschauliche Zeichen im Unternehmen generell verboten seien und es dafür sachliche Gründe gebe. Dann liege keine unmittelbare Diskriminierung vor - alle Mitarbeiter würden gleich behandelt. Der Wunsch des Arbeitgebers, seinen Kunden Neutralität zu signalisieren, sei legitim und Teil der unternehmerischen Freiheit, urteilte der EuGH. Das sorgte bei deutschen Juristen für Diskussionen.

Die langjährige Angestellte der Drogeriemarktkette, die sich durch den verlangten Kopftuchverzicht in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt sieht, hatte mit ihrer Klage beim Arbeitsgericht in Nürnberg Erfolg. Das Landesarbeitsgericht bestätigte das Urteil, das der Religionsfreiheit den Vorrang gibt, und wies die Berufung der Firma zurück. Diese sieht sich dadurch in ihrer unternehmerischen Freiheit beschnitten und beruft sich auf die EuGH-Entscheidungen. Der Anwalt der Klägerin sagte, "die vermeintliche Neutralität des Unternehmens führt zu einer Ausgrenzung meiner Mandantin".

In Deutschland sind pauschale Kopftuchverbote nach der bisherigen Rechtsprechung nicht erlaubt, Einschränkungen bei konkreten Gründen aber möglich. Das Bundesarbeitsgericht hatte in einem Urteil 2002 im Fall einer Kaufhausverkäuferin festgestellt, dass allein das Tragen eines muslimischen Kopftuchs keine Kündigung rechtfertigt.

(felt/cpas/dpa)
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