Hohe Sprit- und Gaspreise Kommt der autofreie Sonntag wieder?

Analyse | Berlin · 1973 ließ manch einer sein Auto von Pferden ziehen und die Straßen waren voll mit Fußgängern. Die Ölkrise bescherte den Deutschen autofreie Sonntage. Sprit ist inzwischen teuer wie nie - macht die Maßnahme daher erneut Sinn? Verbände und Aktivisten sind sich uneins.

Käme der auofreie Sonntag wieder, würde es auf vielen Straßen und Autobahnen wohl so aussehen - die meisten Fahrzeuge müssten in der Garage bleiben.

Käme der auofreie Sonntag wieder, würde es auf vielen Straßen und Autobahnen wohl so aussehen - die meisten Fahrzeuge müssten in der Garage bleiben.

Foto: dpa/Andreas Rosar

Und plötzlich ist sie wieder da, die Forderung nach autofreien Sonntagen in Deutschland. Die Spritpreise steigen, Energie wird wegen des Ukraine-Krieges immer teurer und knapper. Warum also nicht das wiederholen, was schon 1973 in Deutschland praktiziert wurde – ein vierwöchiges Sonntagsfahrverbot? Doch selbst Umweltschützer und Verkehrsverbände sind skeptisch. Sie fordern stattdessen andere Maßnahmen.

Greenpeace preschte kürzlich angesichts der Energiekrise vor. Die Organisation sprach sich dafür aus, dass zweimal im Monat ein autofreier Sonntag verhängt werde. Auch, weil jede Tankfüllung Geld in die Kriegskasse des russischen Präsidenten Wladimir Putin spüle. Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagesfraktion, brachte ebenfalls Sonntagsfahrverbote ins Spiel. Wie schon vor 49 Jahren, als der damaligen Kanzler Willy Brandt (SPD) diese Maßnahme wegen der Ölkrise umsetzte. Solche autofreien Sonntage hätten nicht geschadet, so Scheer. Aber haben Sie auch etwas gebracht? 

Zwar bevölkerten damals Fußgänger und Radfahrer zum Teil die Autobahnen und Bundesstraßen, mancher ließ sein Fahrzeug sogar von Pferden ziehen. Die Bilder gingen um die Welt. Aber selbst der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, sagt: „Autofreie Sonntage sind Symbolpolitik. Wir brauchen dauerhafte Lösungen, um die Nutzung fossiler Energien runterzufahren.“

Die vier autofreien Sonntage hätten damals „praktisch keinen Einspareffekt“ gehabt, so Resch. Das sagen viele Experten, die die Wirkungen untersucht haben. Eine Wiederholung würde zudem zu einem erheblichen, bürokratischen Aufwand führen, glaubt der Geschäftsführer der Umwelthilfe: „Trotzdem werden viele Autofahrer unterwegs sein, die eine Berechtigung dafür haben.  Von Rettungsdiensten über Polizei bis hin zu denen, die sonntags arbeiten müssen. Wer prüft das dann? Das ist eine furchtbar komplizierte Geschichte.“

Viel wichtiger seien Lösungen, die auch 1973 beschlossen worden seien und gewirkt hätte. So verabschiedete damals der Bundestag eine „Energiesicherungsgesetz“, das ebenso ein Tempolimit vorsah: Auf Land- und Bundesstraßen galt Tempo 80, auf Autobahnen 100 Stundenkilometer, um Sprit zu sparen.  Resch: „Wir fordern ein Tempolimit. Das würde von heute auf morgen wirken.“ Jährlich ließen sich so 9,2 Millionen Tonnen CO2 und 3,7 Milliarden Liter Benzin und Sprit einsparen.

Auch der ADAC blickt skeptisch auf autofreie Sonntage. Sprecher Alexander Schnaars betont, viele Menschen seien auf ein Auto angewiesen, um etwa Angehörige zu pflegen. „Deshalb kann ein autofreier Sonntag aus unserer Sicht nicht für alle verpflichtend sein.“ Vielmehr mache es Sinn, gerade am Wochenende zu prüfen, welche Autofahrten verzichtbar seien und welche Alternativen es gebe. „Besonders in der Stadt ist man bei Strecken bis zu fünf Kilometern mit dem Rad oft schneller am Ziel als mit dem Auto.“ Für längere Routen seien neben dem ÖPNV „auch Fahrgemeinschaften sinnvoll“.

Der Experte des Verkehrsclub Deutschland (VCD), Michael Müller-Görnert, setzt ebenfalls lieber auf Einsicht – und fordert deshalb zum „Autofasten“ auf. „Rund 40 Prozent aller mit dem Pkw unternommenen Fahrten entfallen auf Freizeit und Urlaub“, so der VCD-Fachmann. „Das zeigt, wie viel Potenzial der freiwillige Verzicht aufs Auto hat, unter anderem durch autofreie Sonntage.“ Am Wochenende das Fahrzeug stehen zu lassen, „mindert den Kraftstoffverbrauch nicht nur für jeden einzelnen, sondern macht uns in Summe auch ein Stück weit weniger abhängig von Importen.“

Noch viel mehr gelte dies für „das lange überfällige Tempolimit auf Deutschlands Straßen“, so Müller-Görnert. „Beides, Tempolimit und Autofasten, verbessert die Verkehrssicherheit und ist ein Gewinn für den Klimaschutz.“

(has)
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