Kommentar zum Bericht der Rentenkommission Zwei Jahre Zeit verschwendet
Berlin · Zwei Jahre hat die Rentenkommission der Bundesregierung benötigt, um einen gut hundert Seiten langen Bericht zu verfassen, der im Wesentlichen längst Bekanntes und kaum Festlegungen enthält. Das ist ein ungenügendes und enttäuschendes Ergebnis.
Der Kommission ist es nicht gelungen, drängende rentenpolitische Fragen wie die nach der Generationengerechtigkeit bei der Rentenfinanzierung in der Zukunft zu beantworten. So sind zwei Jahre Zeit vergeudet worden. Allerdings entspricht dies auch der Situation in der Politik: Die große Koalition hatte ihren Rentenstreit zu Beginn der Legislaturperiode schlicht in die Rentenkommission ausgelagert und der Expertengruppe dann auch noch viel zu starre Vorgaben gemacht. Wer das freie Denken von vornherein beschränkt, kann hinterher auch nicht erwarten, wegweisende Empfehlungen zu erhalten. Das Scheitern der Kommission war größtenteils programmiert und ist damit auch ein Scheitern der Koalition.
Dass gerade die sensibelsten Fragen unbeantwortet bleiben, verwundert daher nicht. Dazu gehört die Frage nach dem Renteneintrittsalter ab dem Jahr 2031, wenn die schrittweise Einführung der Rente mit 67 abgeschlossen sein wird. Hierzu soll nun ein weiteres Gremium, ein so genannter Alterssicherungsrat, im Jahr 2026 Vorschläge unterbreiten. Damit allerdings würde erneut viel Zeit verplempert und ein zentrales politisches Streitthema erneut in ein Gremium ausgelagert, das nichts zu entscheiden hätte. Über das künftige Renteneintrittsalter müssen sich endlich die Parteien selbst einig werden, die Diskussion darüber gehört in den Bundestag und nicht in ein neues Gremium.
In einem Minderheitsvotum spricht sich der Rentenforscher Axel Börsch-Supan dafür aus, das Rentenalter entsprechend der zunehmenden Lebenserwartung auch in Zukunft weiter nach oben anzupassen. Da die Zahl der Beitragspflichtigen in den kommenden Jahren deutlich stärker als bisher abnehmen und die der Neu-Rentner deutlich stärker als bisher zunehmen wird, kann die Rentenpolitik an einer dosierten weiteren Anhebung des Rentenalters auch nach 2031 eigentlich nicht vorbei. Dazu braucht sie allerdings Mut und Geschick in der Kommunikation. Wenn die Bürger wie derzeit in der Corona-Krise verstehen, dass Maßnahmen unumgänglich sind, werden sie die Politik auch unterstützen. Der Vorschlag Börsch-Supans, die gewonnene Lebenszeit im Verhältnis zwei zu eins auf Arbeit und Freizeit aufzuteilen, ist überlegenswert.
Kostspielige Schritte der großen Koalition, etwa die Erhöhung der Mütterrenten oder die verfrühte Verabschiedung Hunderttausender in die Rente mit 63, haben den Druck verstärkt, spätestens in der nächsten Wahlperiode zu einer großen Rentenreform zu kommen. Sie muss die gesetzliche Rente auch für künftige Generationen auskömmlich machen und darf diese Generationen gleichzeitig finanziell auch nicht überfordern. Deshalb darf sich die Rentenpolitik nicht fast ausschließlich auf die Einnahmenseite konzentrieren, wie es etwa Sozialverbände, SPD und Gewerkschaften tun. Auch auf der Ausgabenseite gilt es, Belastungen zu begrenzen, etwa durch die weitere Erhöhung des Rentenalters. Das Prinzip der Generationengerechtigkeit gehört als Zielsetzung ins Grundgesetz, um jüngere Generationen vor dem materiellen Interesse der Masse der älteren Wähler besser zu schützen.