Kommentar zum verweigerten Hammelsprung im Bundestag Ein weiterer Fehler im Umgang mit der AfD

Meinung | Berlin · Dass die Sitzungsleitung im Bundestag der AfD einen „Hammelsprung“ verweigerte, ist ein weiterer Punkt auf der Liste mit Fehlern des Bundestages im Umgang mit der Partei, findet unser Autor.

Die Falle der AfD war geschickt aufgebaut. Und der Bundestag ist mit Vorsatz hineingetappt. Nachts um 1.27 h im Bundestag die Beschlussfähigkeit anzuzweifeln, ist ungefähr so treffsicher wie in Sandalen im Regen mit nassen Füßen zu rechnen. An ultralangen Sitzungstagen so zu tun, als wären jederzeit mindestens 50 Prozent aller Abgeordneten da, ist ein stillschweigendes Übereinkommen eines arbeitsteiligen Parlamentes. Wo kein Kläger, da kein Richter.

An Übereinkünfte fühlt sich die AfD nicht gebunden, weil die anderen Fraktionen ihr permanent versagen, „ihren“ Sitz im Bundestagspräsidium auch zu besetzen. Mit dem nächtlichen Manöver war also zu rechnen. Der Abbruch der Sitzung wäre lästig, aber glaubwürdig gewesen. Spätestens, wenn nach einem als „Hammelsprung“ bezeichneten Zählverfahren das optisch Offensichtliche auch statistisch belegt gewesen wäre. Doch die Sitzungsleitung entschied sich für die unglaubwürdigste Lösung - einfach so zu tun, als wäre der Plenarsaal mindestens halb voll. Man stelle sich nur kurz die Reaktion von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth vor, wenn die Mehrheit des von Erdogans Partei beherrschten türkischen Parlaments derart offenkundig die Regeln zur Farce gemacht hätte.

Es ist ein weiterer Punkt auf der Liste mit Fehlern des Bundestages im Umgang mit der AfD. Der erste war es, die viele Jahrzehnte alte Tradition zu beenden, wonach der älteste Abgeordnete die erste Sitzung eines neuen Bundestages eröffnet. Das war ein durchsichtiges Manöver, um einen AfD-Alterspräsidenten zu verhindern. Solche Taschenspielertricks wie nun auch beim verweigerten „Hammelsprung“ gefährden letztlich die Würde des Hohen Hauses - angerichtet ausgerechnet von denjenigen, die die Würde vor der oft unflätig agierenden AfD schützen wollen.

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