Gipfel mit Ampel und Union Eine verpasste Chance in der Migrationspolitik

Meinung | Berlin · Dass die Gespräche zwischen der Ampel und der Union zur Migrationspolitik gescheitert sind, ist bitter und ein Schaden für die politische Mitte. Jetzt sind Kanzler Scholz und Oppositionsführer Merz gefragt, den Schaden zu begrenzen und umzusteuern.

Nancy Faeser, Marco Buschmann und Annalena Baerbock: Ampel auf dem Podium.

Foto: dpa/Carsten Koall

Das zweite Treffen zwischen Ampel- und Unionspolitikern zur Migrationspolitik ist gescheitert, eine Einigung gab es nicht. Was ein Schulterschluss zwischen Regierung und Opposition in einem der drängendsten politischen Themen hätte werden können, ist nun ein Scherbenhaufen. Denn Populisten haben es jetzt einfacher als zuvor, die Parteien der politischen Mitte in der Migrationspolitik gemeinsam an den Pranger zu stellen – nach dem Motto: Seht her, sie kriegen es einfach nicht hin, auch nicht zusammen.

Allerdings sollte sich von AfD, BSW und Co. niemand Sand in die Augen streuen lassen. Denn was die Gespräche vor allem zum Scheitern brachte, ist der Unterschied zwischen der Regierung, die politische Verantwortung trägt und geltendes (EU-)Recht einhalten muss, und der Opposition, die steilere Forderungen stellen kann. Gescheitert sind die Gespräche, weil die Union an den Grenzen alle Flüchtlinge zurückweisen will, die aus einem anderen EU-Land nach Deutschland kommen und einen Asylantrag stellen.

Rechtlich kann Deutschland aber nur jene zurückweisen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Weil Länder wie Italien, Griechenland und weitere Staaten mit einer EU-Außengrenze viele Flüchtlinge ohne Registrierung nach Deutschland weiterleiten, kommt es hier zu den hohen Zahlen. Diese Praxis verstößt gegen EU-Regelungen, sie passiert aber trotzdem.

Damit es künftig einen spürbaren Rückgang der Migrationszahlen gibt, muss die Bundesregierung – allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – nun all sein politisches Gewicht in die Waagschale werfen und mit den europäischen Nachbarn über die Umsetzung der Dublin-Regeln reden. Es braucht mehr Härte Deutschlands gegenüber seinen europäischen Freunden in dieser Sache, damit das politische Klima sich in Deutschland auch wieder beruhigt und Antidemokraten keinen Rückenwind mehr bekommen. Das ist die Verantwortung der Ampel-Koalition.

Und es ist die Verantwortung der Union und allen voran von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), die Stimmung nicht noch weiter aufzuwiegeln. Dass die Union keinen Änderungsbedarf bei Gesetzen sieht, es für EU-rechtskonform hält, alle Flüchtlinge abzuweisen, und Merz allein Scholz beschuldigt, einen solchen Schritt politisch nicht gehen zu wollen, wird der rechtlichen und politischen Komplexität des Themas nicht gerecht.

Gleichzeitig ist es naiv anzunehmen, dass die von der Ampel nun verkündeten schärferen Kontrollen und die Zurückweisungen von anderswo registrierten Flüchtlingen wirklich die Zahlen stark drücken werden. Denn künftig werden wohl noch weniger Flüchtlinge in einem anderen EU-Land einen Asylantrag stellen, wenn sie es nicht müssen, um doch nach Deutschland reinzukommen.

Und noch etwas ist wichtig: Die ab Montag geltenden Kontrollen an den deutschen Grenzen dürfen nicht dazu führen, dass Warenströme zu stark gebremst werden und die ohnehin strauchelnde Wirtschaft noch stärker unter Druck gerät in Deutschland. Denn sonst würden sich womöglich noch mehr Unternehmen ins Ausland verabschieden.