Olaf Scholz in Peking Bemerkenswerter Klartext des Kanzlers

Meinung | Berlin · Die Reise des Kanzlers Olaf Scholz (SPD) nach Peking war in weiten Teilen außergewöhnlich und abenteuerlich. Am Ende standen bemerkenswerte Äußerungen beider Regierungen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch bei Xi Jinping

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

Deutschlands neue China-Politik ist wachsweich. Sie ist noch formbar, befindet sich im Aufbaustadium. Die Bundesregierung hat noch keine China-Strategie, diese wird frühestens irgendwann im kommenden Jahr erwartet, auch wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits ein paar Leitplanken gezogen hat. China hingegen weiß sehr gut was es will und hat etwa bei seinem Seidenstraßen-Projekt einen meilenweiten Vorsprung bei der Umsetzung seiner Ziele - wirtschaftlich und geopolitisch.

Es macht sich bemerkbar, wenn zwei Regierungen unter so unterschiedlichen Vorzeichen aufeinandertreffen. Der Antrittsbesuch von Scholz bei Chinas autoritärem Herrscher Xi Jinping fand daher nicht auf Augenhöhe statt. Zwar hat Deutschland trotz der aktuellen Energiekrise und der sich abzeichnenden Rezession weiterhin enormes wirtschaftliches Gewicht aufzuweisen. Zugleich ist Deutschland aber in hohem Maße abhängig von China in einer Form, in der Erpressung funktionieren kann. Andersherum ist die Abhängigkeit längst nicht so groß - und China verfolgt mittlerweile einen Wettstreit der politischen Systeme. Es will beweisen, dass Demokratie und Mehrparteiensystem der eigenen autoritären Herrschaftsform unterlegen sind.

Umso wichtiger war es, dass Olaf Scholz nach Peking gereist ist, ungeachtet der breiten Kritik am Zeitpunkt. Denn insbesondere in so massiv aufgeheizten Konflikten wie dem mit Russland um den Krieg in der Ukraine ist es wichtig, das persönliche Gespräch und Verbündete zu suchen. Wladimir Putins atomare Angstspiele brauchten eine deutliche Antwort, gerade aus China, das bislang Russland nicht kritisiert hatte. Dies war eines der wichtigsten Ziele des Kanzlers in Peking. Und er konnte nach den Gesprächen vermelden, dass Xi und er sich einig seien, dass atomare Drohgebärden unverantwortlich und brandgefährlich seien - ein wichtiges Signal.

Erst recht vor dem anstehenden G20-Gipfel in Indonesien. Vor dem Hintergrund wäre es keine kluge Option gewesen, wegen des erst zwei Wochen zurückliegenden Parteitags, bei dem Xi sich die alleinige Macht sicherte, nicht nach China zu fliegen. Zumal Scholz sich auch nicht scheute, klare und teils sogar harte Worte zu Meinungsverschiedenheiten mit China zu äußern. Bei einer gemeinsamen Presseunterrichtung gelang es dem Kanzler, auch für China sehr unangenehme Themen wie die Aggressionen gegenüber Taiwan, den brutalen Umgang mit Minderheiten oder den völlig anderen und sehr rabiaten Umgang mit der Corona-Pandemie unmissverständlich anzusprechen.

Worum geht es im Streit zwischen Taiwan, China und der USA?​
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Worum geht es im Streit zwischen Taiwan, China und den USA?

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Foto: AP/Chiang Ying-ying

Mit diesen deutlichen Äußerungen dürfte es dem Kanzler darüber hinaus gelungen sein, sich Respekt im Kreis der westlichen Freunde zu verschaffen. Nun wäre es aber naiv anzunehmen, dass China radikal umdenken wird nach Scholz’ Antrittsbesuch. Auch künftig werden Minderheiten leiden, auch künftig dürften deutsche Firmen Schwierigkeiten bei Marktzugängen haben. So viel Klarheit wie in Scholz’ Statement nach den Gesprächen braucht es daher auch in der China-Strategie der Bundesregierung. Wachsweich darf sie nicht werden.

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