Dauerzustand Koalitionskrise Kommen jetzt zwei Jahre Wahlkampf?

Berlin/Passau (RPO). Die Krise der Großen Koalition droht zum Dauerzustand zu werden. Nach den Reibereien um Mindestlohn und Pflegereform warnen Unionspolitiker nun davor, die Koalition in Frage zu stellen. Genau dies aber tut der SPD-Linke Ottmar Schreiner: Er stellte am Dienstagmorgen die Legitimation der großen Koalition in Frage.

Die Streitpunkte der Koalitionskrise
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"Eine große Koalition, die nicht mehr handlungsfähig ist und nur vor sich hinbräselt, macht keinen Sinn mehr", sagte der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Sozialdemokraten und Union seien gefordert, die Aufgaben noch einmal sehr klar zu benennen und "entsprechende Ergebnisse" zu liefern, sagte er auch mit Blick auf die Debatte um einen gesetzlichen Mindestlohn. "Wenn das nicht möglich sein sollte, dann hat die große Koalition ihre Funktion verspielt", sagte Schreiner.

Der SPD-Linke unterstützte die Kritik seines Parteivorsitzenden Kurt Beck am Koalitionspartner und sprach von einem "guten Vorstoß". Schreiner äußerte aber auch Selbstkritik. Die Umfragedaten der SPD fielen seit geraumer Zeit schlecht aus. Offenkundig gelinge es nicht ausreichend, eigene Inhalte zu formulieren und in der Koalition auch durchzusetzen.

Schreiner schloss erneut eine Koalition der SPD mit der zukünftigen Partei Die Linke nicht aus. Für Demokraten solle jede demokratische Partei koalitionsfähig sein, sagte er. Dies gelte ausdrücklich auch für die Linkspartei.

Union wehrt sich

Die Union wehrte sich zuvor mit zum Teil barschen Worten gegen die Angriffe von Kurt Beck. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wies am Dienstag dessen Vorwurf zurück, die Union betreibe eine neoliberale Politik. Die Äußerung sei ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Der Vorstoß sei ein weiterer Versuch Becks, in seiner Partei die Truppen beisammenzuhalten. "Derzeit verlassen junge SPD-Funktionäre die Partei in Richtung Linkspartei. Es rächt sich immer mehr, dass die SPD nicht klar genug die Grenzen nach links gezogen hat", sagte Koch. Es sei bedrückend, dass Beck ein Staatsvertrauen zurückhole, das in der SPD vor 30, 40 Jahren vertreten worden sei. Wegen ihres Einsatzes für den Mindestlohn seien die Sozialdemokraten für ein historisches Hoch der Altkommunisten verantwortlich, sagte Koch mit Blick auf das Abschneiden der Linkspartei.PDS bei der Bürgerschaftswahl in Bremen. Beck müsse sich überlegen, ob sein Ton nicht ganz woanders Früchte trage, als ihm lieb sei.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warnt indes vor einem Dauerkonflikt: "Das letzte, was wir jetzt brauchen ist ein zweijähriger Dauerwahlkampf. Er sprach von zunehmender Nervosität bei den Sozialdemokraten. "Wenn die SPD jetzt die soziale Karte spielt, hilft sie vor allem der Linkspartei. Die alten Lieder kann die Linkspartei besser singen", betonte Bosbach. Offenbar werde die SPD-Spitze vor den Landtagswahlen im kommenden Jahr nervös. "Alle in Deutschland haben was vom Aufschwung, nur nicht die SPD", sagte Bosbach.

Unterstützung für Beck

Auf seiner Suche nach Profil findet Beck jedoch Unterstützung bei den Parteifreunden. So verteidigte der konservative Seeheimer Kreis den SPD-Chef die Kritik an der Union. Beck habe den Kurs der Union in deren neuem Programm kritisiert, sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Klaas Hübner, am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Die Union vertrete eine "Vorfahrt für freie Märkte". Als Volkspartei müsse die SPD diese Ausrichtung hinterfragen.

"Wir glauben nicht wie die Union, dass im Zweifelsfall die Freiheit der Märkte immer oberste Priorität haben muss", sagte Hübner. Vielmehr seien die Märkte ein gutes Instrument für die Verteilung in der Welt und im Nationalstaat, aber sie bedürften durchaus einer Regulierung durch einen starken Staat.

Den Vorwurf, die SPD betreibe Opposition innerhalb der Koalition, wies Hübner zurück. Als Parteivorsitzender müsse Beck aber die Differenzen zum Koalitionspartner deutlich machen.

(afp)
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