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Streit ums Kopftuch Die Grenzen der Wertepolitik

Politik ohne Werte ist zum Glück nicht denkbar. Aber alle politischen Alltagsentscheidungen nach Werten zu treffen, ist rechtlich heikel – weil Werte keine politischen Rechte und Pflichten begründen. Im Kopftuchstreit lässt sich das gut beobachten.

 NRW plante ein Kopftuchverbot für Mädchen, ist von diesem Plan aber abgerückt (Symbolbild).

NRW plante ein Kopftuchverbot für Mädchen, ist von diesem Plan aber abgerückt (Symbolbild).

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Sollte Politik wertebasiert sein? Wenn Sie auf diese Frage unbesehen mit Ja antworten, dürften Sie eine Mehrheitsmeinung vertreten. Tatsächlich ist es umgekehrt schwer vorstellbar, Politik ohne Werte zu machen – gerade die Begründung der großen Linien ist anders kaum denkbar, nicht nur für die C-Parteien. Wer aber jede Einzelentscheidung mit Werten begründen will, dem hat der Staatsrechtler Christoph Möllers mit einem Vortrag in Frankfurt neulich ordentlich Wasser in den Wein gekippt: Werte seien keine Basis für politische Rechte und Pflichten. Möllers hat das anhand der Vollverschleierung muslimischer Frauen dargestellt: Anhand von Werten kann man zwar vortrefflich Meinungen austauschen, politisch-juristisch lassen sich daraus aber schlecht Handlungsanweisungen ableiten. Das erst geplante, nun abgeräumte Kopftuchverbot für Mädchen in NRW fällt auch in diese Kategorie.

Man könnte sagen: Wertepolitik argumentiert mit „Das ist nun mal so“. Wir zeigen nun mal Gesicht, wir drücken unserer Tochter nun mal kein Kopftuch auf. Das kann man meinen, mit guten Gründen – rechtlich begründbar ist es deshalb noch nicht (solange es nicht etwa um Unfallgefahr durch Vollverschleierung am Steuer geht). Im Gegenteil: Mit der Religionsfreiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern stehen sogar starke Argumente dagegen. Auflösen lassen sich im Rechtsstaat solche Konflikte wohl nur technisch: per Auslegung durch Gerichte.

Das ist ein sehr nüchternes Weltbild, zugegeben, aber auch ein sehr liberales. Es erfordert freilich eine Menge Selbstdisziplin, denn „Das ist nun mal so“ zu sagen, ist stets einfach. Und es setzt Bescheidenheit voraus, weil möglicherweise nicht alles Wünschenswerte politisch zu regeln ist. Nüchternheit, Selbstdisziplin und Bescheidenheit allerdings sind in diesen Zeiten nicht die geringsten Tugenden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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