Kolumne „Total Digital“ Warum Start-ups wie Avocados sind

Düsseldorf · Den Trend zur Überproduktion gibt es nicht nur im Supermarkt. Sehen Sie selbst.

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Foto: imago stock&people

Mit Avocados verhält es sich ein wenig wie mit Start-ups: Jahrelang fristeten sie ein exotisches Nischendasein, plötzlich gibt es sie an jeder Ecke. Ich kann mich nicht erinnern, als Kind Avocado gegessen zu haben, später servierte mein Vater sie in Form von Guacamole, wenn er mexikanisch kochte. Heute liegen sie praktisch jede Woche im Einkaufswagen. Warum ich Ihnen das erzähle? Weil ich gelernt habe, in welchem Supermarkt man sie kaufen kann – und in welchem nicht, weil sie schnell schlecht sind.

Ähnliches gilt für Start-ups, wie man zuletzt am Beispiel Rocket Internet erleben durfte. Die Berliner galten mal als Motor der Gründerszene, dort wurden Start-ups am Fließband produziert. Zuletzt wurden einige an die Börse gebracht: Der Kochboxen-Versender Hellofresh oder die Möbelhändler Home24 und Westwing. Bei allen brachen die Kurse nach dem Börsendebüt massiv ein. Als Rocket jetzt den Modehändler Global Fashion Group an die Börse bringen wollte, gab es den Avocado-Effekt: Wenn man permanent schlechte Erfahrungen mit einem Anbieter macht, lässt man lieber die Finger davon. Das Interesse der Anleger war äußerst gering.

Avocados haben eine erschütternde Umweltbilanz. Beim Anbau wird viel Wasser verbraucht, der ganze Prozess ist langwierig und teuer. Insofern ähneln sie vielen Start-ups, in die über Jahre Millionen gepumpt werden, ohne dass sie Gewinne machen.

Manche Start-ups gehören nicht an die Börse. Ich freue mich über den neu ausgebrochenen Gründergeist in Deutschland. Aber ich frage mich, ob wir uns nicht – getrieben durch die niedrigen Leitzinsen – in einer Start-up-Überproduktion befinden. Es gibt für zu viel Geld zu wenig gute Start-ups. Manchmal ist weniger mehr. Beim Einkauf habe ich die Avocado diese Woche weggelassen.

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