Kolumne: Total Digital Made in Germany? - Die Uberisierung unserer Welt

Berlin · Bill Gates hat mal etwas Kluges gesagt: Überschätzen Sie nicht den Fortschritt innerhalb der nächsten beiden Jahre, mahnte er. Trotzdem hinkt sein Unternehmen Microsoft heute in vielen Dingen hinterher. Wird Deutschland das nächste Microsoft?

 Microsoft hat in der Technologiebranche in vielen Dingen den Anschluss verpasst? Ergeht es Deutschland bald wie Microsoft? Unser Kolumnist ist in Sorge.

Microsoft hat in der Technologiebranche in vielen Dingen den Anschluss verpasst? Ergeht es Deutschland bald wie Microsoft? Unser Kolumnist ist in Sorge.

Foto: ap

Unterschätzen Sie aber bloß nicht, was sich in einem Zeitraum von zehn Jahren ändern wird, ging die Warnung von Bill Gates weiter. Der ehemalige Microsoft-Boss musste diese Lektion auf die harte Tour lernen. Weil der Selfmade-Millardär die Wucht des Internets beizeiten nicht erkannte, läuft Microsoft heute in nahezu allen Zukunftstechnologien der Entwicklung hinterher.

Wann immer ich in Deutschland unterwegs bin, frage ich mich, ob wir als Land nicht das nächste Microsoft sind. Noch scheint alles in Ordnung zu sein: Die Wirtschaft unseres Landes brummt, um unser Bildungs- und Gesundheitssystem werden wir von allen Seiten beneidet. Doch wenn man genau überlegt, basiert unser heutiger Wohlstand auf Erfindungen, die weit über hundert Jahre zurückliegen. Allen voran die Automobilindustrie, an deren Tropf all jene Zulieferer hängen, die das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden, den Mittelstand.

Bringt der VW-Skandal die Lawine ins Rollen?

Was würde wohl passieren, wenn man uns ausgerechnet auf dem Feld schlägt, von dem wir meinen, wir seien dort als Deutsche unverwundbar? Könnten Skandale wie der von VW vielleicht sogar der erste Dominostein sein, der eine gigantische Lawine ins Rollen bringt und das Prädikat "Made in Germany" bald dauerhaft verblassen lässt?

Die Tech-Industrie steht in den Startlöchern: Apple und Google rekrutieren seit Jahren Automobilexperten, auch aus Deutschland. Raketenbauer Elon Musk lässt für seinen Tesla mitten in der Wüste des US-Bundesstaats Nevada gerade die größte Automobilfabrik der Welt aus dem Boden stampfen. Gleichzeitig kommandiert der kalifornische Fahrdienstanbieter Uber schon heute die größte Fahrerflotte der Welt. Wie viel Zeit bleibt uns noch? Wie lange werden wir uns gegen diese IT-Übermacht aus dem Silicon Valley wehren können?

Wann immer ich am Flughafen Berlin-Tegel stehe und versuche ein Taxi zu finden, das bereit ist, mich mit Kreditkarte zahlen zu lassen, komme ich ins Grübeln. Vielleicht brauchen wir die Wettbewerber aus Kalifornien, um uns daran zu erinnern, dass der Kunde König ist - und mehr noch - voll vernetzt. Wenn sogar Maschinen bald in der Lage sind, uns besser und dabei noch menschlicher zu behandeln als Menschen aus Fleisch und Blut, weine ich der alten Welt keine Träne nach.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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