Politisch Inkorrekt Was ich wann esse, ist meine Sache

Die Frage, ob es zukünftig einen "Veggie-Day" in Deutschlands Kantinen geben soll, ist im Grunde nebensächlich. Das eigentliche Problem ist: Brauchen wir Politiker und Parteien, die uns vorschreiben, wie wir gefälligst im Alltag zu leben haben?

Ein wesentlicher Sinn des Staates besteht darin, die Schwachen zu schützen. Das ist weitgehend unumstritten. Über andere Aufgaben streiten kluge Rechtsphilosophen. Aber ich bemerke, dass ich immer klammheimliche Sympathie verspüre, wenn Anarchisten oder Libertäre den großen allumfassenden Staat grundsätzlich infrage stellen, der es besonders gut mit uns meint, der alles regelt und alles beaufsichtigt.

In diesen Tagen diskutiert Deutschland über den Vorschlag der Grünen, einen "Veggie-Day" einzuführen, also einen verpflichtenden Tag, an dem es in deutschen Kantinen keine Fleischgerichte gibt. Was wäre wohl los, frage ich mich, wenn die katholische Kirche einen verpflichtenden Fischtag in jeder Woche forderte? Oder was würden die Grünen sagen, wenn die FDP einen wöchentlich verpflichtenden Tag mit Rindersteaks für alle forderte?

Das eigentliche Thema aber ist: Brauchen wir Politiker, die uns vorschreiben, was wir essen sollen? Bitte, ich kenne alle Argumente dazu – ohne Zweifel ist Kopfsalat gesünder als Zigeunerschnitzel (darf man das noch so sagen?). So, wie es natürlich gesünder ist, nicht zu rauchen, als zu rauchen. Es wäre auch gesünder, wenn Belegschaften der Betriebe morgens gemeinsam Gymnastik auf dem Werksgelände machten, statt in der Kantine Bienenstich zu essen. Nur: Wollen wir, dass Politiker das alles für uns regeln? Oder wollen wir überzeugt werden? Wenn mein Arzt sagt: Bier macht dick und ist ungesund, dann kann ich entscheiden, was ich daraus lernen will. Aber will ich, dass eine Regierung regelt, dass montags, mittwochs und freitags nur noch Gemüsesaft ausgeschenkt werden darf?

Allen, die mir nun schreiben wollen, wie die Gesundheitskosten explodiert sind und dass alle Krankenversicherten die Unvernunft der Raucher und Fleischesser mitfinanzieren, sage ich schon vorab: Sie finanzieren auch die Unvernunft der Alkoholtrinker mit. Die Nicht-Wintersportler bezahlen für jährlich Tausende Behandlungen verunglückter Skifahrer, wir zahlen für Unfallopfer durch Raserei mit Auto oder Motorrad, für Extremsportler aller Art und so weiter. Soll das nun sukzessive alles verboten werden?

Es geht um selbstbestimmtes Leben. Ich will keine Politiker, die mit Verboten und Strafen alles regeln, weil sie glauben zu wissen, was gut für mich ist. Ob ich Fleisch esse, Bier trinke und wie oft ich bade oder auf die Toilette gehe – all das geht keinen Politiker und keine Partei etwas an. Es gibt genug staatliche Kernaufgaben, um die sie sich kümmern können. Mein Leben gehört mir.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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