Politisch Inkorrekt Laterne, Laterne, Rücksicht nehmen wir gerne

Mit seinem Vorschlag, die Martins-Umzüge zu entchristlichen, schaffte es ein Politiker der Linken diese Woche in alle Medien. Folgt man seiner seltsamen Logik, so könnten aus "Rücksichtnahme" bald auch andere Veranstaltungen gefährdet sein.

 Unser Autor Klaus Kelle.

Unser Autor Klaus Kelle.

Foto: Phil Ninh

Die Partei "Die Linke" ist in NRW eine eher traurige Veranstaltung. Bei der Landtagswahl im Mai 2012 flog sie in hohem Bogen mit nur noch 2,5 Prozent Stimmenanteil aus dem Landtag. Und bisher ist nicht bekannt geworden, dass sie dort seither sonderlich vermisst wird. Und weil es für Parteien außerhalb des Parlaments nicht einfach ist, mediale Aufmerksamkeit zu erregen, glänzt mancher Repräsentant einer solchen Gruppierung mit echten Gaga-Vorschlägen, um zum öffentlichen Gesprächsthema zu werden.

Hier kommen wir zu Rüdiger Sagel, dem Ex-Abgeordneten der Linken, der 2012 ebenfalls zum Opfer der undankbaren, ignoranten Wähler wurde. Nun ist er Sprecher des NRW-Verbands seiner Partei. In dieser Woche profilierte Sagel sich als wackerer Streiter gegen den heiligen Martin und für die Muslime an sich. Die Martins-Umzüge, schlug er vor, sollten aus Rücksicht auf "den hohen Anteil muslimischer Kinder" in NRW-Kitas in "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest" umbenannt werden. Sagel wörtlich: "Ihnen sollte man die christliche Tradition nicht aufdrängen."

An dieser Stelle muss ich die Menschen muslimischen Glaubens vor Herrn Sagel in Schutz nehmen. Ich kenne keine Muslima und keinen Muslim, die sich durch St. Martin gestört fühlen. Viele haben inzwischen öffentlich ihre Sympathie für den barmherzigen Mann auf dem Pferd geäußert, der seinen Mantel mit einem Armen teilte, und basteln mit ihren Kindern begeistert Lampions — so wie wir zu Hause und viele andere Familien. Man muss schon sehr weit von einem Glauben entfernt sein, um anzunehmen, man könnte Muslime und Christen so simpel gegeneinander aufwiegeln.

Aber, lieber Herr Sagel, bekanntermaßen ist ja Homosexualität bei gläubigen Muslimen auch nicht, sagen wir, populär. Wenn Sie also mal wieder öffentliche Aufmerksamkeit erregen wollen, schlagen Sie doch vor, zum Beispiel die vielerorts stattfindenden Umzüge zum Christopher Street Day in "Friede-Freude-Eierkuchen-Feste" umzubenennen und dort Vollbekleidung für die Teilnehmer anzuordnen. Wir wollen doch niemandem unser Verständnis von gesellschaftlicher Freizügigkeit und Liberalität aufzwingen. Nicht wahr?

Doch wahrscheinlich geht es der Linken bei St. Martin nicht nur darum, Kindern ihren Spaß zu verderben und die Kirchen zu ärgern. Sie stört, dass Martin überhaupt einen Mantel hatte und barmherzig sein konnte. Schließlich sollte jeder einen Rechtsanspruch auf ein Stück vom Mantel derjenigen haben, die einen besitzen. Bis es für jeden so wenig Stoff ist, dass dann alle gemeinsam frieren.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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