Kolumne: Mit Verlaub! Wider die Zipfelmützenträger

Die Mehrheit der Deutschen und die Handeltreibenden sowieso sind zu Recht für Ausbau und Reparatur der Verbindungskabel auch zu Nicht-Demokratien wie Russland.

Der Vorwurf, dieser oder jener Ministerpräsident betreibe "Nebenaußenpolitik", ist so alt wie die Bundesrepublik. Dem legendären Seehofer-Vorgänger Franz Josef Strauß war die Münchner Welt oft zu klein; er pflegte deshalb intensive außenpolitische Kontakte - gleichsam zu Mao in Peking oder Gorbatschow in Moskau. Damit zog sich Strauß viel Neid und Spott in der Zentrale der Bonner Republik zu. Als der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann, Hans Dietrich Genschers "Minenhund" (Strauß) dem Bayern-Boss einst Einmischung in außenpolitische Bundesangelegenheiten vorhielt, schoss dieser seinen unvergessenen Giftpfeil gegen den liberalen Aufsteiger Möllemann ab: "Riesenstaatsmann Mümmelmann."

Jetzt weilte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer zu Gesprächen mit Russlands Präsidenten in Moskau. Im Herbst reist er mit einer großen Wirtschafts-Delegation erneut dorthin. Richtig so. Und wieder meldeten sich politische Zipfelmützenträger aus Berlin-Wichtelhausen: Roderich Kiesewetter (CDU), Jürgen Trittin (Grüne) und Niels Annen (SPD), der hauptsächlich dadurch Aufmerksamkeit erregte, dass er nach 26 (!) Semestern entschied, den Hörsaal mit dem Plenarsaal zu tauschen. Das Trio mokierte sich über die Nebenaußenpolitik Bayerns und ein Sich-Anbiedern am Hofe von Zar Wladimir. Der kuriose Kiesewetter hatte gar dazu geraten, die Visite abzusagen, weil Seehofer als Gegner der Berliner Flüchtlings- und Russland-Sanktionspolitik sonst dem Staats-Chauvi Putin propagandistisch auf den Leim gehe.

Seehofer, wiewohl politisch und rhetorisch kein Strauß, verspottete ähnlich derb wie dieser das Trio als 'fünftklassig'. Der Bayern-Chef weiß sich mit der Mehrheit der Bevölkerung und der Handeltreibendem im Land sowieso darin einig, dass jedes Land, insbesondere das vom Handel lebende Deutschland gut beraten ist, die Verbindungskabel zu Russland und anderen wichtigen Nationen nicht zu kappen und sie dort, wo sie beschädigt wurden, durch verlässliche Diplomatie zu reparieren. Wenn jetzt jemand einwendet: Ja, aber Russland versuche doch, europäische Rechtsaußen-Parteien gegen die offizielle EU-Politik zu stützen, ließe sich fragen: Hätte Bonn vor wenigen Jahrzehnten etwa seine kluge Ostpolitik seinlassen sollen, weil kommunistische Diktaturen in Moskau, Warschau und Ost-Berlin linksextreme Parteien und Terroristen in Westdeutschland päppelten?

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(RP)
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