Kolumne: Mit Verlaub! Was cool sein will, ist oft nur Kappes

Düsseldorf · Eine Speisekarte in Deutschland, ausschließlich auf Englisch gedruckt? Eine Kulturnation sollte nicht überempfindlich sein, aber Fremdsprachen-Albernheiten widerstehen.

Kolumne: Mit Verlaub!: Was cool sein will, ist oft nur Kappes
Foto: Michels

Neulich erzählte eine in der Welt herumgekommene Deutsche, wie sie in einem neu eröffneten Restaurant in einer rheinischen Großstadt die Speisekarte ausschließlich in Englisch gedruckt vorgefunden habe. Die Dame war verblüfft, auch verärgert: "Wo sind wir denn hier? Ein Lokal in Deutschland, aber die Angebote nur in Englisch? Wie findet ihr das?" Eine Freundin pflichtete ihr bei: "Ja, unsere schöne Sprache stirbt langsam aus."

Ich dachte an die Debatte, die vor wenigen Wochen der sich konservativ profilierende CDU-Abgeordnete Jens Spahn mit seiner Kritik an ähnlichen Berliner Restaurant-Erfahrungen belebt hatte. Spahns Kernvorwurf: "Mir geht es zunehmend auf den Zwirn, dass in manchen Berliner Restaurants die Bedienung nur Englisch spricht."

Noch etwas fiel mir ein: dass sich viele Leser darüber beschweren, wenn in ihrer Zeitung zuweilen Fremdwörter verwendet werden, die nicht sogleich zu entschlüsseln sind oder als deplatziert empfunden werden. Jemand störte sich beispielsweise daran, dass FDP-Chef Christian Lindner die künftige Bundesregierung mehr als bislang auf "Education" verpflichten möchte und die Presse das genauso weitergab, statt "Bildung" zu schreiben. Vor einer Woche hatte ich an dieser Stelle auf die erfolgreiche politische Initiative von Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron, "En marche", Bezug genommen und gefragt, wann auch wir Deutsche "en marche" seien.

Die zunehmenden Bedenken von Landsleuten, die von den Aposteln der Multi-Kulti-Seligkeit oft als "Biodeutsche" zum gesellschaftspolitischen Fallobst sortiert werden, belegen, dass eine nicht länger bloß schweigende Mehrheit Fremdwort-Übertreibungen als das bezeichnen, was sie sind: lächerlich, verkrampft, peinlich. Das "Coffee-to-go"-, "Work-life-Balance"- und "Business-Lunch"-Getue im Alltag kommt nicht nur dem Institut für deutsche Sprache albern vor.

Aber auch das stimmt: Es liegt im Wesen einer Sprache, dass sie sich ständig wandelt. Der deutsche Linguist Rudi Keller erwähnt, dass Klagen über den Verfall der jeweiligen Sprachen seit rund 2000 Jahren literarisch dokumentiert würden. 30 bis 40 Prozent des englischen Wortschatzes sind laut Keller französischen Ursprungs. Geschadet hat das der Attraktivität des Englischen nicht.

Lassen wir Deutsche also nicht "the church in the village", vielmehr die Kirche im Dorf; aber zeigen wir auch so selbstbewusst wie andere große Kulturnationen, dass wir nicht jede hereinschwappende, fremdsprachige Marketing-Welle für "cool" halten, wo sie doch oft nur Kappes ist.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(mc)
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