Kolumne: Mit Verlaub! Sehnsucht nach dem Krisenmanager

Düsseldorf · In der Schreckenszeit des RAF-Terrors stand Altkanzler Helmut Schmidt im Zenit seines Ansehens. Ein kluger Lenker wie er fehlt heute mehr denn je.

Kolumne: Mit Verlaub!: Sehnsucht nach dem Krisenmanager
Foto: Michels

Heute wäre Helmut Schmidt 98 Jahre alt geworden. Zur Erinnerung: Der vor 13 Monaten verstorbene Schmidt war Bundeskanzler, als Terroristen der so genannten "Rote Armee Fraktion" (RAF) im Herbst 1977 die Menschen in West-Deutschland sechs Wochen lang in Schrecken und Zorn versetzten. Nie zuvor seit Gründung der Bundesrepublik war die Staatsführung durch eine ideologisch verhunzte Verbrecher-Gruppe derart herausgefordert worden.

Bundeskanzler Schmidt, der sich 15 Jahre zuvor als Hamburger Senator für Inneres bei der Jahrhundert-Flut in seiner Heimatstadt den Ruf als schneidiger Krisenmanager verdient hatte, war in dieser Schreckenszeit 1977 der unumstrittene Lenker und kühle Kopf eines aus Regierungs- und Oppositionsvertretern gebildeten großen Krisenstabes. Nie hatten seine Landsleute das Gefühl, als entgleite dem Lotsen die Navigation des in schwere Seenot geratenen Staatsschiffs.

Der Staat bestand vor 39 Jahren den durch Mord und Geiselnahme bekräftigten Nötigungsversuch der RAF-Terroristen; und der Leitende Angestellte der Bonner Bundesrepublik, als den sich Bundeskanzler Helmut Schmidt in vermeintlicher Bescheidenheit selbst beschrieb, stand ab 1977 für eine Weile über die Parteigrenzen hinweg im Zenit seines Ansehens.

Damals hatten die Landsleute bei allem Bewusstsein für die Bedrohung namens RAF nie das Gefühl, dem Staat würden Mittel, Möglichkeiten oder der Führungswille fehlen, dem Terror von Links die Stirn zu bieten. Ein "Wir schaffen das" hätte die Bevölkerung einem Helmut Schmidt geglaubt - auch weil die Zuversicht in die Staatskunst größer war, als sie es anno 2016 ist.

Heute schreibt Gabor Steingart vor dem Hintergrund des Vorweihnachts-Terrors in Berlin im " Handelsblatt", die Flamme der Zuversicht sei zwar noch nicht erloschen, aber sie habe zu flackern begonnen. Das liegt zum einen an dem im Vergleich zu den RAF-Verbrechen anders gelagerten, schwieriger zu bekämpfenden Terror unserer Tage; zum anderem hat es mit den politischen Führungspersönlichkeiten unserer heutigen Zeit zu tun.

Damals gab es einen starken Krisenmanager an der Spitze der Exekutive; heute haben wir eine Kanzlerin, die neulich zugab, dass sie lange mit sich gerungen habe, ob sie sich 2017 noch einmal dem Wählervotum stellen soll. Sie hat ihren Zenit überschritten und wirkt erschöpft. Mangels verheißungsvoller Alternativen übt sie ihr Amt tapfer aus. Beschleicht auch Sie das mulmige Doppelgefühl: Da kommt nicht mehr viel (auf die Kanzlerin bezogen)? Und: Da droht uns noch manches (auf den Terror gemünzt)?

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(mc)
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