Kolumne: Mit Verlaub! Arbeitersohn belehrt Polizistensohn

Siemens-Chef Joe Kaeser nahm ein politisches Foulspiel von Martin Schulz nicht wortlos hin. Er ging zum Gegenangriff über.

 Unser Autor Reinhold Michels.

Unser Autor Reinhold Michels.

Foto: Michels

Martin Schulz war - er kokettiert damit - ein miserabler Schüler. Seine Stärken zeigten sich auf dem Schulhof und auf dem Bolzplatz: ein rauflustiger Fußball-Rackerer, dessen Bibel der "Kicker" und dessen Gott Wolfgang Overath war.

Wer Schulz' jüngste Wutbürger-Reden gegen die Unternehmensleitung der Weltfirma Siemens gehört hat, erlebte/erlitt den jungen, unfertigen Wilden von einst als schimpfende Seniorenausgabe 2017. Wir wissen nicht, ob und wie oft dem Schüler Martin von seinen Lehrern die Ohren langgezogen wurden. Was wir allerdings gelernt haben, ist, wie man das Ohrenlangziehen bei dem Politiker Martin Schulz machen muss, damit es weh tut. Schulz' Erzieher ist der Vorstandschef der Siemens AG, Joe Kaeser.

Kaeser hätte Schulz' wenig faktensicheren, aber meinungsstarken Schimpf-und-Schande-Schwall gegen den angeblichen "Manchester-Kapitalismus" bei Siemens unerwidert verhallen lassen können, wozu dem Konzernführer vielleicht manch versnobter Politiker-Verächter aus der Beletage der Industrie geraten hat. Der bayerische Arbeitersohn Kaeser schrieb Polizistensohn Schulz jedoch einen gepfefferten Antwortbrief. Er münzte das Foulspiel des Gegners in einen Gegenangriff mit erfolgreichem Torschuss um. So etwas begreift der Kicker aus Würselen.

Es gibt üble Raubtier-Kapitalisten im Land, deren Bibel der Börsenbrief ist und deren Gott Mammon heißt. Zöge Schulz gegen solche Feinde der sozialen Marktwirtschaft ins Gefecht, gönnte man ihm Millionen Mitstreiter im Land. Aber Schulz ging es, wie Kaeser zu Recht unterstellte, um populistischen Antikapitalismus-Trödel von anno dazumal gegen eine Firma, die seit 2012 mehr als 20 Milliarden Euro Steuern und Abgaben entrichtet und 2017 weltweit mehr als 38.000 Mitarbeiter neu eingestellt hat, davon 5200 in Deutschland.

Schulz hatte die geplante Schließung von zwei Betrieben aus dem unrentablen Kraftwerkssektor trotz Rekordgewinns des Konzerns gegeißelt, aber nicht gewusst oder nicht so genau wissen wollen, dass Siemens 2017 und in den Folgejahren laut Vorstandschef den 2900 weggefallenen Stellen etwa 16.000 neue Arbeitsplätze folgen lassen wird.

Wir wissen nicht, ob das gut begründete "Mangelhaft, setzen!" aus dem schlechten Schüler Martin einen gelehrigen Politiker machen wird. Was man jedoch hoffen darf, ist, dass viel mehr sozial verantwortlich handelnde und ökonomisch versierte Führungskräfte kleiner, mittlerer und großer Unternehmen in Parlamenten und außerhalb davon den Mund auftun und nicht vor Populisten kuschen.

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(mc)
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