Kolumne: Mit Verlaub! Freiheit und Verantwortung

Der Sozialismus mag verschlissen sein. Doch er erhebt sein Haupt wieder, wo immer der Kapitalismus marktradikal die soziale Komponente unterschlägt.

Welch eine gute Tradition! Zum Ende eines jeden Jahres schrieb der Düsseldorfer Handwerkskammer-Präsident Wolfgang Schulhoff Freunden und Weggefährten seine persönlich-politischen Gedanken mit Blick auf das, was war und das, was sein sollte. Seine letzte Botschaft dieser Art verschickte Schulhoff vor vier Jahren, kurz vor seinem Tod.

Als mir ein Bruder im Geiste des großen Rheinländers Schulhoff vor wenigen Tagen das neue Grundsatzprogramm der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU zuschickte, las ich dort vieles von dem, was den Handwerkskammer-Präsidenten in seinem letzten Lebensjahrzehnt besonders bewegte und zu verstärktem Engagement weit über seine Heimatstadt Düsseldorf antrieb: die Sorge vor einem Manager-Kapitalismus angloamerikanischer Prägung, dem persönliche Haftung für eigenes Tun oder Unterlassen fremd, eben systemwidrig erscheint. Dem stellt die Mittelstandsvereinigung nun ganz im Sinne Schulhoffs diesen Satz entgegen: "Zur bürgerlichen Mitte gehören für uns alle diejenigen, die als verantwortungsbewusste Unternehmer oder Beschäftigte Wohlstand für alle schaffen, indem sie sich für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und für die Sicherung von Arbeitsplätzen einsetzen."

Ein Manager-Kapitalismus, der vergessen machen will, dass Eigentum auch verpflichtet, und dass sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen solle (Artikel 14 II Grundgesetz), zerstört die soziale Marktwirtschaft als das deutsche Erfolgsmodell der Nachkriegszeit schlechthin. Da jede Bewegung Gegenbewegung erzeugt, folgt einem krakenhaften Manager-Kapitalismus fast naturnotwendig das Wiederaufleben ökonomisch-gesellschaftspolitischer Missgestalten unter der verschlissenen Flagge des Sozialismus.

In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" verweist der Jurist und Wirtschaftspraktiker Friedrich Merz auf die zweite, womöglich bald erste Welt-Supermacht China; wir müssten unser Modell liberaler Gesellschaften und offener Märkte dagegenhalten. Mit Verlaub, liberale Gesellschaften und offene Märkte gewinnen doch erst ihren großen Charme, wenn die soziale Komponente hinzugefügt wird - und zwar nicht als Gnadenerweis der Marktradikalen, sondern als rechtlich gesicherter Spross der Traumpaarung Freiheit und Verantwortung.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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