Kolumne „Mit Verlaub“ Weniger Hysterie, mehr Verstand
Düsseldorf · Die Klimadebatte offenbart einen wenig freiheitlichen Hang zu Ideologien, findet unser Kolumnist. Die öffentliche Aufmerksamkeit für Greta Thunberg und die Klimadebatte kann er nicht nachvollziehen.
Fragen über Fragen: 1. Warum hängt ein Volk, dessen vielleicht größter Denker in Königsberg einst den umstürzlerischen Satz formuliert hat: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ fasziniert an den Lippen einer schwedischen Minderjährigen und deren Weltuntergangs-Fantasien? 2. Warum applaudiert eine halbe Hundertschaft erwachsener Staatsleute im Saal der UN einem schwedischen Wohlstandskind auch noch zu deren in Stil und Inhalt übergeschnapptem Redefluss? 3) Warum fällt einem dazu Erich Kästner ein, der anmahnte, nie so tief zu sinken, von dem Kakao, durch den man gezogen wird, auch noch zu trinken? 4) Warum nehmen es viele hin, dass auch im Zuge der Klimadebatte politisierendes Talkshow-Palaver skurriler Aktivisten mit dem üblichen bangen Politiker- und Medienleute-Mix stattfindet? Wo sind in solchen Runden diplomierte Ingenieure mit Wissen und Verstand? Wo versteckt sich schließlich politische Führung, die nicht nur laut Helmut Schmidt für eine Demokratie lebenswichtig ist? Ich frage mich, was heute aus der für Frieden und Freiheit maßgebenden Strategie der Freien Welt geworden wäre, dem Moskauer Aufrüstungsfuror mit atomaren Mittelstreckenraketen die glaubhafte Drohung zur Nachrüstung mit „Pershings“ entgegenzusetzen. Die Kanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl widerstanden zwischen 1977 und 1983 den Hysterien sogenannter Nachrüstungsgegner, in deren Folge sogar lachhafte Ratsbeschlüsse gefasst wurden, dieses oder jenes Kleinkleckersdorf zur „atomwaffenfreien Zone“ zu erklären. Zum 25. Todestag des Philosophen Karl Popper erinnerte der Publizist Thomas Schmid daran, dass der Mensch die Begabung zur Freiheit habe. Machen wir doch mehr Gebrauch davon und widerstehen wir dem Hang, von Zeit zu Zeit Ideologien zu huldigen.
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