Kolumne: Berliner Republik Das Protokoll im Schloss Bellevue

Berlin · Der Dauerbrenner im Regierungsviertel ist die Frage, wie und wann Joachim Gauck über seine Zukunft entscheidet. Derweil legt der Bundespräsident eine Routine an den Tag, als gebe es diese Frage nicht.

 Eva Quadbeck leitet das Hauptstadtbüro unserer Redaktion in Berlin.

Eva Quadbeck leitet das Hauptstadtbüro unserer Redaktion in Berlin.

Foto: Quadbeck

Bei Staatsbanketten wird nichts dem Zufall überlassen. Das Protokoll bestimmt über jedes Detail, wie Gäste empfangen, bewirtet und unterhalten werden. Steif ist es dennoch nicht, wenn man zu Gast ist im Schloss Bellevue.

Bundespräsident Joachim Gauck, der nichts so hoch schätzt wie die Freiheit des Menschen, hat mit dem engen Korsett, das ihm das Protokoll anlegt, seinen Frieden gemacht. Routiniert bewegt er sich über rote Teppiche, schüttelt Hände und sagt auch meistens nur das, was abgestimmt ist. Auch diese Anpassungsfähigkeit, die manch einer Gauck zum Amtsantritt 2012 nicht zugetraut hatte, lässt den Ruf erschallen: Der Präsident möge doch bitte weitermachen.

Ob Gauck auch noch in den kommenden Jahren Gefallen daran haben könnte, an vielen Abenden im Monat in seinem Schloss zu stehen und ausländische Staatsgäste zu empfangen, lässt er sich nicht anmerken. Am Abend eines strapaziösen Tages absolviert er die Vorgaben des Protokolls nicht gerade enthusiastisch, aber doch mit so viel staatsmännischer Haltung, dass ihm niemand nachsagen kann: Der schwächelt. Beim Defilee wie vergangene Woche anlässlich des Besuchs des mexikanischen Staatspräsidenten Enrique Peña Nieto geben die Gäste ein Kärtchen mit ihrem Namen bei den Protokoll-Verantwortlichen ab, dann wird der Name aufgerufen. Der Gast geht zum Präsidenten und seinem Staatsgast. Man schüttelt die Hand, sagt guten Abend - und weiter geht es in den Saal. Dort ist jedem Gast ein Platz zugewiesen. Während das Silberbesteck mit Bundesadler akkurat nach Gang-Folge neben den Tellern liegt, ist der Umgang der Gäste miteinander eher entspannt.

Gauck hat durchaus das Talent, das Protokoll im Laufe eines Abends dann doch ein wenig zu durchbrechen. Beim Besuch des mexikanischen Präsidenten liefern eine erst 17-jährige Geigerin und eine Pianisten einen wundervollen musikalischen Rahmen beim Abendessen. Nach dem letzten Stück steht Gauck plötzlich auf, was für alle Menschen im Saal das Signal gibt, auch aufzustehen. Der Präsident will den Musikerinnen aber nur persönlich danken. "Das machen wir nur ausnahmsweise so", sagt er hinterher. Danach dürfen sich alle wieder setzen.

Es ist üblich bei Staatsempfängen, dass die Gäste stets nur so lange sitzen bleiben wie der Hausherr. Um jenen Gästen, die noch länger parlieren möchten, als der Präsident bleibt, dazu die Gelegenheit zu geben, wird der Kaffee nach dem Nachtisch einfach wie bei einem Stehempfang gereicht. Und prompt steht wieder die Frage im Raum, ob es auch ohne Gauck im Schloss Bellevue geht. Wann und wie er seine Entscheidung bekannt gibt - dafür gibt es kein Protokoll.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort