Kolumne: Hier In Nrw Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr

In den Geschäften werden jetzt schon Plastik-Christbäume und Weihnachtsgebäck angeboten, und die ersten Weihnachtsmärkte locken auch bald die Kunden an. Mir ist das alles viel zu früh.

Keine Frage. "Der Sommer war sehr groß", um mit Rilke zu sprechen. Selten abends so oft auf der Terrasse gesessen. Noch immer ist vielen Menschen die Sonnenbräune anzusehen. Winterliche Gedanken kommen da wirklich nicht auf.

Doch dann dies: Vor ein paar Tagen ging ich in den heimischen Baumarkt, um Flickzeug für das Kinderplanschbecken zu besorgen, das in diesem Sommer reichlich genutzt worden war. In der Abteilung, in der noch bis vor kurzem Gartenmöbel, Sonnenschirme, Strandspielzeug und Luftmatratzen angeboten wurden, standen jetzt jede Menge mit Christbaumkugeln geschmückte Weihnachtsbäume. Kunterbunte Plastikvorboten einer noch völlig fernen Jahreszeit.

Dann hörte ich, dass in wenigen Tagen im Rheinland die ersten Weihnachtsmärkte eröffnet werden. Bestimmt gibt es dort Glühwein und Zimtgebäck. Das kann man in den großen Supermärkten ja schon seit geraumer Zeit bekommen. Dort stapeln sich Kästen und Tüten mit Dominosteinen, Lebkuchen, Spekulatius und anderem verlockenden Weihnachtsgebäck.

Nun ist es wohl nur noch eine Frage von wenigen Wochen, bis der Kunde rund um die Uhr mit fröhlichen Weihnachtsliedern attackiert wird. Die Verkäuferinnen, die das tagaus tagein werden ertragen müssen, können einem schon jetzt leidtun. Bestimmt wird auch bald der mir unbekannte Bewohner eines mehrstöckigen Hauses in Mönchengladbach seinen leuchtenden Weihnachtsmann samt Elch wieder wie im vorigen Jahr an seinem Balkon befestigten und damit als einer der Ersten in dieser Gegend die Vorweihnachtszeit optisch einläuten.

Bei allem Verständnis für privates Lichtspiel und knallhartes Geschäftskalkül: Mir ist das alles viel zu früh. Monatelang Weihnachts-Deko - das ist doch kaum auszuhalten. Irgendwie scheint die Reihenfolge unserer schönen Festtage inzwischen völlig durcheinandergeraten zu sein. Früher machte Sankt Martin (der zunehmend von "Halloween" verdrängt wird) den Auftakt des vorweihnachtlichen Reigens. Danach der Nikolaus, der heimlich Süßigkeiten in den Schuh packte. Zu diesem Zeitpunkt waren sechs Türen des mit Glitzer bestreuten Adventskalenders geöffnet. Die ganz neugierigen Kinder hatten längst einen Blick hinter die Doppeltür des 24. Dezember geworfen und deshalb ein ziemlich schlechtes Gewissen.

Ja, und dann kamen Heiligabend und der ersehnte Weihnachtsteller mit Printen, Schokolade, Datteln und Nüssen drauf und - man glaubt es heute kaum - einer Orange. Wenn man Glück hatte, war dazu draußen alles weiß. Aber auch das ist vermutlich alles Schnee von gestern.

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(RP)
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