Hier In Nrw Gemeinsamer Unterricht – ein großes Missverständnis?

Herrscht in vielen Klassen nicht schon jetzt ein starkes Leistungsgefälle? Wie wirkt es sich aus, wenn künftig in denselben Klassen junge Menschen mit geistigen Behinderungen sind?

Die Parteien in NRW machen sich für den gemeinsamen Unterricht von jungen Menschen mit und ohne Behinderung stark. Sie berufen sich dabei auf die Konvention der Vereinten Nationen (UN) von 2009, die sich gegen die Diskriminierung von Behinderten wendet. In Artikel 24, der sich mit dem Bildungswesen befasst, steht aber nichts von gemeinsamem Unterricht. Ist alles also ein großes Missverständnis?

Es heißt in Artikel 24, dass behinderte Kinder "nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden" dürfen. Die generelle Forderung nach gemeinsamem Unterricht lässt sich daraus nicht ableiten. Hinzu kommt: Bei uns gilt die Schulpflicht auch für Behinderte; sie sind somit bereits in das allgemeine Bildungssystem einbezogen.

Dennoch halten die Parteien in NRW den gemeinsamen Unterricht für zwingend notwendig. Nur Wenige, wie der CDU-Politiker Herbert Reul, trauen sich, öffentlich Zweifel anzumelden. Doch die zentrale Frage bleibt: Wem ist damit geholfen? Herrscht in vielen Klassen nicht schon jetzt ein starkes Leistungsgefälle? Wie wirkt es sich aus, wenn in denselben Klassen junge Menschen mit schweren sprachlichen oder emotionalen Behinderungen sind?

Die Befürworter (darunter auch diejenigen, die "eine Schule für alle" fordern) gehen davon aus, dass sich eine zweite, speziell geschulte Lehrkraft dieser Gruppe annimmt, während die Kollegin oder der Kollege parallel dazu die anderen Schüler unterrichtet. Wird ein solcher Unterricht nicht zulasten der gesamten Schülerschaft gehen?

Ab 2014 sollen die Eltern in NRW einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Regelschule für ihr behindertes Kind (beginnend mit den Klassen eins und fünf) haben. Dazu werden heute viele Experten im Landtag gehört. Die meisten begrüßen das rot-grüne Inklusionskonzept. Der Elternverein NRW und der Verband "Lehrer NRW" sehen es anders: Sie verweisen darauf, dass es in Deutschland ein differenziertes Fördersystem für Behinderte gibt, das nicht das Geringste mit Diskriminierung zu tun hat. Statt darauf stolz zu sein (es gibt weltweit Länder, die von diesem Standard noch weit entfernt sind), soll bei uns dieses Fördersystem für ein Experiment mit ungewissem Ausgang zerschlagen werden: Die meisten Förderschulen werden schließen müssen, wenn die Inklusion fortschreitet. Was wird dann aber aus dem Recht jener Eltern, die ihr Kind in einer Förderschule besser aufgehoben sähen?

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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