Gott Und Die Welt Wie unser Alltag noch bedeutsamer werden kann

Auch zu früher Stunde lässt sich unser Leben ein wenig wichtiger gestalten. Da gibt es zum Beispiel die Till-Brönner-Methode (nicht geeignet) oder den beherzten Griff zu Anglizismen.

Am Frühstückstisch sind alle gleich. Das sagte schon Groucho Marx, der ja ein Neffe von Karl Marx war. (Ich weiß, dass das nicht stimmt, also jetzt bitte nicht nachgoogeln). Jedenfalls herrscht zwischen Sauerteigbrötchen und Marzipan-Ei (die Hühner-Eier blieben wegen der neuen veganen Ernährung fürs Erste verbannt) eine gewisse Gleichmacherei. Weniger aus Überzeugung, sondern vielmehr aus der Haltung einer uneitlen Nachlässigkeit heraus. So früh am Tag achtet man noch nicht allzu sehr auf jene Details, die das Leben in den Zustand einer Bedeutung überführen. Man könnte auch sagen: Zu dieser Zeit ist noch vieles egal.

Wie schön aber, dass diese diffuse Stunde unserer Existenz ein bisschen inszeniert und dadurch aufgewertet werden kann. Da gibt es geeignete und weniger geeignete Wege — wie die Till-Brönner-Methode, für die man den Pfefferminz-Teebeutel selbst noch beim Trinken in der Tasse belassen muss, so wie es der Jazz-Trompeter auch bei seinen Auftritten zu tun pflegt. Dazu gehört aber auch das unziemlich weit geöffnete Hemd. Versuche dieser Art waren am Frühstückstisch allerdings nicht ganz so erfolgreich, man kann auch sagen: selbstzerstörerisch. Denn wie soll man es anders nennen, wenn der sogenannte Brönner-Look auf nämliche Weise bei Tische registriert wird: "Du hast da zwei Knöpfe am Hemd vergessen." Es gibt auch andere Wege der Alltags-Aufwertung. Zum Beispiel die Sprache. Da reicht es, effektvoll zum richtigen Vokabular zu greifen. Vor allem das Englische bietet sich an, denn wer frühmorgens fremdsprachlich unterwegs ist, kann kein engstirniger Mensch sein. So sollte man ohne falsche Scheu die familiären Zusammenkünfte am Frühstückstisch zum Meeting deklarieren, bei dem die morgendliche Zeitung eine Menge Content für uns bereithält. Abgesehen von der Marmelade, den Gurkenscheiben und dem Bruschetta-Aufstrich (passte zwar nicht, war aber noch vom Vorabend übrig) gibt es reichlich Input.

Das hört sich schon ganz passabel an; mein Lieblingswort aber ist der kleine, unscheinbare "Impuls", der mittlerweile rund um die Uhr gegeben wird. Mal ist damit nur eine kleine Begrüßung gemeint, dann wieder ein Drei-Stunden-Referat. Ein Impuls ist eben alles. Wie auch jetzt. Denn der Impuls, um den ich gebeten wurde, galt dem noch fehlenden Harzer Roller. Nur lag dieser nicht im Kühlschrank, sondern dummerweise noch in der Kühltheke des Supermarktes. Auf dem anschließenden Einkaufsweg kamen dann diese Worte in den Sinn des griesgrämigen Impulsgebers: "Freiheit ist, oh Weib, wo du nicht bist." Und das ist tatsächlich von Marx. Wie ich gegoogelt habe. Heimlich.

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(RP)
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