Gott Und Die Welt Wenn Flüsse ihrem Namen keine Ehre machen

Absurd ist, dass neben vielen anderen Flüssen auch jener mit dem Namen Mulde über seine Ufer getreten ist, und das – wie wir jetzt erfahren mussten – auch schon 2002. Ausgerechnet die Mulde!

Absurd ist, dass neben vielen anderen Flüssen auch jener mit dem Namen Mulde über seine Ufer getreten ist, und das — wie wir jetzt erfahren mussten — auch schon 2002. Ausgerechnet die Mulde!

Der Rhein fließt nah an unserem Haus. Sehr nah — also fast hinterm Frühstückstisch vorbei. Das heißt manchmal auch: bedrohlich nah. Doch dieses Mal ist das Hochwasser als freundlicher Gast gekommen. Das Wasser hat sich vor dem Deich durch die Wiesen nach oben gedrückt und kleine Seen gebildet. Darin baden jetzt uralte Kopfweiden ihre knorrigen Füße. Unsere Flut ist pittoresk. Darum ist der Deich auch voller Menschen. Aber alles Einheimische. Und das ist ein gutes Zeichen. Denn Touristen reisen nur zu den echten Katastrophen an.

Dass dieses harmlose Naturschauspiel auch noch unter strahlend blauem Himmel stattfindet, macht es schwer, die Bilder von den Hochwasserkatastrophen im Süden und Osten der Republik wirklich zu begreifen. Gefühlt ist das ganz weit weg, Boston vielleicht, nur dass der gummistiefelbewehrte Obama jetzt weiß und eine Frau ist. Absurd ist auch, dass neben vielen anderen Flüssen auch jener mit dem Namen Mulde über seine Ufer getreten ist, und das — wie wir jetzt erfahren mussten — auch schon 2002. Ausgerechnet die Mulde. Wenn man sich sicher wähnen wollte, dann ja wohl an den Gestaden der Mulde! Nein, das Flüsschen machte seinem Namen keine Ehre.

Vielleicht sollte man es nach den Aufräumarbeiten in "Miese Mulde" umbenennen.

Aber auch andere Flüsse haben keinen guten Namen. Nehmen wir zum Beispiel die Wupper, die sich tief ins Tal gegraben hat und in der gleichnamigen Stadt mit keinem Hochwasser der Welt den Öffentlichen Personennahverkehr zum Erliegen bringen könnte. Die Wupper ist dennoch kein Sympathieträger, zumindest lädt sie sprichwörtlich nicht zum Überqueren ein. Denn wer über die Wupper gegangen ist, den erwartet auf der anderen Seite der Tod. Die Vorstellung von Totenflüssen ist uralt — der Styx ist einer der berühmtesten. Doch warum ausgerechnet die Wupper dazugehören soll, ist merkwürdig. Vielleicht gibt es ja auch darum unter der Schwebebahn eine obskur hohe Flussquerung. Dass die Stadtväter mit dem Bau dieser Bahn dem Teufel ein Schnippchen schlagen wollten, ist eine gleichfalls absurde Vorstellung, somit durchaus denkbar. Den zweifelhaften Ruf teilt die Wupper übrigens mit dem Jordan. Keine Ahnung, warum. Vielleicht findet sich dazu ja etwas bei Wikipedia.

Zum Rhein gibt es solche stigmatisierenden Sprichwörter nicht, obwohl die Menschen, seit sie der Sprache fähig sind, sich ihren Reim natürlich auch auf diesen Strom gemacht haben. So erwische ich mich dabei, wie mir angesichts des doch lieblich über die Ufer getretenen und somit füllig gewordenen Rheins heimlich, still und leise große Verse des nicht minder großen Willy Schneider in den Sinn kommen: "Wenn das Wasser im Rhein gold'ner Wein wär . . ."

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