Gott Und Die Welt Völlig unakzeptabel: Die Natur erwacht einfach!

Urplötzlich haben alle gute Laune – weil es überall wie verrückt sprießt und gedeiht. Dabei muss der Rasen gemäht werden, und die Warteschlange im Bauhof ist nervtötend. Eine behutsame Gegenrede also.

Über Nacht war also der Garten explodiert. Aber keineswegs lärmend, dafür weithin sichtbar – selbst von unserem Frühstückstisch aus. Die Natur hatte plötzlich verrückt gespielt, war erwacht und hatte gefühlsmäßig eine verheerende Wirkung hinterlassen: fast ausnahmslos aufreizend gut gelaunte Menschen am Frühstückstisch!

Es herrschte ein grundloses Frohlocken auf der einen Seite des Tisches des morgendlichen Speisens, ein gesunder, wenn auch vereinzelter Skeptizismus auf der anderen. Denn wer sich über Gänseblümchen, Löwenzahn und frisch sprießendes Rasengrün freut, wird sein Lebtag noch keinen Elektromäher geschoben, den anfallenden Grasschnitt zum nächsten Bauhof seines Vertrauens (in fünf Kilometer Entfernung) kutschiert haben, um dort dann, an der Stätte der ökologisch sanktionierten Entsorgung, wenigstens eine geschlagene halbe Stunde in der Warteschlange zu stehen. Was eigentlich hat der mitteleuropäische Mann am Samstagvormittag gemacht, als es noch keinen Bauhof gab?

"Was aber ist mit dem Apfelbäumchen, dem schön knorrigen, schön blühenden sowie schön benannten (nach Geheimrat Oldenburg)?"

Alles bloß Lug und Trug! Da die Bienen sowieso hauchdünn vor dem Aussterben stehen, wird sich schon bald kein emsiger Diener der Befruchtung mehr finden (diese untunlichen Worte fielen tatsächlich am Frühstückstisch). Und dann noch die seit dem Sündenfall existierenden Unkräuter sowie die vielen Schnecken. Nein, machen wir uns doch bitte jetzt nichts vor, wir sind Menschen des 21. Jahrhunderts, wir sind durchzivilisiert, haben uns eine Verfassung gegeben und handeln auch nicht mehr nach dem Naturrecht. Unsere Konfrontation mit der Natur ereignet sich darum auch im gepflegten Park mit seinen angelegten Wegen und Beeten, mit fein arrangierten Baumgruppen und grün gestrichenen Bänken. Selbst das Schild "Betreten verboten!" ist Ausdruck einer aufgeklärten Zähmung des Menschengeschlechts. Wir durchstreifen nicht mehr die Wildnis, sondern flanieren in der Welt herum.

"Jetzt aber mal halblang mit dieser Philippika. Draußen blüht es nur, wie in jedem Frühling auch, mehr nicht. Und warum steckt eigentlich Dein Messer noch immer in der Butter?"

Tatsächlich! Über all dem wortreichen Klagen und griesgrämigen Bedenken war die Butter sogar schon ranzig geworden, ein kräftiger Wind umtoste bereits das Haus; und in der Ferne war zu erahnen, dass sich einer dieser ganz und gar verhängnisvollen Schneestürme zu formieren begann, der . . .

"Lothar!"

Ist ja schon gut.

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(RP)
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